Das Inselrevier vor Griechenlands Gestaden wurde eigentlich aus zwei Gründen konzipiert: für göttliches Segeln und himmlisches Ferienvergnügen. Den Göttern sei Dank findet man dank GPS auch leicht wieder nach Hause. Obwohl man eigentlich lieber länger cruisen möchte…
Corona hin, Corona her – wir wollten zurück aufs Meer und dem Alltag entfliehen. Ausgesucht hatten wir uns die Inseln, die westlich vom Land der Hellenen liegen. Mit der Charterbasis auf Lefkas fast in der Mitte und den vorherrschenden nordwestlichen Winden, schwebte uns eine Art Acht vor: zuerst in den Süden bis Zykanthos, dann nördlich bis Korfu und wieder entspannt zurück zum Ausgangspunkt. Beim Lesen der Revierführer wurde die Liste der Orte, die man unbedingt gesehen haben muss, immer länger. Doch als Segler weiss man ja: der Skipper denkt und der Wind lenkt.
So fuhren wir nach Einchecken und Einkaufen frohen Mutes am Sonntagmorgen durch die betonnte Fahrrinne, die von Levkas Marina nach Süden führt. An deren Ende öffnet sich der Golf von Patras, der gleich mit vielen Inselchen und mit Ankeplätzen lockt, die verführerische Namen tragen (Tranquil Bay bei Vlychon). Wir haben aber einen Plan und wissen, was wir wollen. So lassen wir Sparti und Skorpios, Onassis Privatinsel, rechts liegen und schlängeln uns zwischen Meganision und Thilia Richtung Süden durch. Die vielen Ankerlieger und das schöne Sommerwetter machen Lust für einen Badestopp. So segeln wir in die Bucht von Poros und ankern vor dem Strand. ‘Viel zu nahe’ befindet der Kommandant des Patrouillenschiffes der Hellenic Coastguard, welche bei uns Ankerliegern aufkreuzt. Da es keine Bojen gibt, sind die 300 Meter Abstand von Auge geschätzt. Da man aber mit Uniformierten besser nicht diskutiert, setzen wir unsere Reise um die Südspitze von Levkas fort und ankern abends in Vasiliki – mit garantiert 400 Metern vom Strand. Wir satteln unser Dinghy und tauchen ins griechische Ferienleben ein. Herumschlendern, Souvenirshopping, Leute gucken… dann Apéro und kleines Nachtessen unter Eukalypzusbäumen bei Zeus – die Snackbar heisst wirklich so. Das fängt gut an. Eine Haustafel an der Taverna Dolphin erinnert an den Aufenthalt von Hemingway, der hier zum Big Game Fishing nach Delphinen war. Andere Zeiten, andere Sitten…
Weisse Klippen
Am nächsten Tag steht eines der Highlights unserer Tour an: Egremni an der steilen Westküste Lefkadas. Auf dem Weg dorthin begleiten uns Delfine und nach Cap Doukato mit seinem Leuchturm wird die Küste richtig spannend. Dann kommen die ersten Sandstrände in Sicht, die sich unterhalb der 70 Meter hohen Klippen gebildet haben. Menschenleer! Ankern und mit dem SUP-Board an Land – man fühlt sich wie in einer anderen Welt. Bis diesmal nicht die Küstenwache aufkreuzt, sondern das erste Ausflugsboot seine bunte Ladung auf den Strand kippt. Wir verholen uns einen Strand weiter nördlich und geniessen weiter die eindrücklich schöne Kulisse. Es ist erst Montag – doch was soll das noch toppen? Vielleicht kann eine neue Insel weiterhelfen? Hoch die Tücher und Kurs auf die Geburtsinsel von Odysseus, Ithaka. Dort legen wir in der Hafenbucht von Vathy am Waldesrand mit Heckleine an. Keine 100 Meter weiter liegt die Taverne von Dimitris, wo wir hinrudern und direkt am Wasser unsere Sprachkentnisse für griechische Gerichte perfektionieren. Was für ein Tag! Zusätzliches Highlight für unsere beiden Girls: Dimitris Wifi reicht bis aufs Boot… Aufschlussreicher Eintrag im Logbuch: die ganze Nacht über Fallböen.
Der nächste Tag beginnt mit Verholen Richtung Vathy. Kleine Einkäufe und das Formular für den Charternachweis muss abgestempelt werden – so will der griechische Staat wohl die Chartereinnahmen besser kontrollieren. Ein Stromausfall im ganzen Städtchen setzt jedoch die Überwachungsmission aus und sorgt für Musse und Zeit für Gespräche. So erfahren wir bei einem Glas Weisswein, dass der zutrauliche Hund Nula in der Kantoyni Taverne von Yachties zurückgelassen wurde und jetzt das ein und alles des Wirtes ist. Als der Strom wieder fliesst, mache ich mich auf den Weg zur Port Authority. Die Türe ist zwar geschlossen, aber durchs Fenster kann die Formalität ebenso gut erledigt werden. Zum Glück funktioniert der Stempel ganz ohne Elektrizität…
Nachmittags geht’s der Ithaka-Küste entlang immer weiter Richtung Süden. Alle netten Ankerplätzen sind belegt, bei der Durchfahrt von Ormos Pera Pigadi impft eine Wespe unsere Jüngste in die Hand, die netten Ankerplätze sind allesamt voll und beim kleinen Steinquai warnt der Törnführer vor Ratten. Für den Aufstieg zur Arethusa-Quelle, deren Wasser die Schweine des Eumaios getränkt haben soll, will mein Crew nichts wissen. Ist vielleicht auch besser so, denn im Sommer dürfte die Quelle sowieso versiegt sein. Also dann weiter zur nächsten Insel, nach Agia Efimia auf Kefalonia. Wir müssen im Vorhafen ankern, denn der Hafen ist knallvoll, eine Charter-Flotille liegt mit ihren Kats sogar im Päckchen. Nach dem Abendessen schauen wir mit einem Auge den Halbfinal der EM im Fussball. Zurück an Bord wird noch der tägliche Temperaurcheck bei der ganzen Crew durchgeführt und in ein extra Covidformular eingetragen. Alles ok, auch die Nacht ist extrem ruhig.
Farbcode Türkis
Einer der schönsten Momente ist es, morgens früh kopfüber ins türkisfarbene Wasser zu springen. Heute wird mir dieses Vergnügen verwehrt, in Efimia war dieser Farbton leider nicht verfügbar. Dafür rauschen wir kurz vor Mittag bei Kato Katelios an der Südspitze von Kephallinia ins Farbparadies. Das dunkelblaue Wasser wird immer heller und füllt schliesslich den gesamten Küstenstreifen in transparentem Türkis aus. Motor stop, ankern, baden! Als dann aber nach Mittag der Wind einsetzt, werde ich kribblig. Die nächste Insel ist schon in Sichtweite, auf Zakynthos locken die Blue Caves – und bis zum Kap Skinari sind es lediglich ein paar Meilen. Fast wie Odysseus bemühte ich mich, meine Gefährten mit blumigen Worten zum Aufbruch bewegen. Günstige Winde trugen uns in der Tat geschwinde zum nächsten Eilande… doch genau so schnell machte sich Frust breit, denn vor den Blauen Höhlen tummelten sich Ausflugs- und Motorboote in Scharen. Doch da wir schon mal hier sind, wollen auch wir die Grotten besichtigen und ich hoffe auf bleibende Eindrücke. Aber entweder stand die Sonne schon zu tief oder die besuchte Grotte war die falsche – auf alle Fälle war hier nicht viel zu sehen von atemberaubenden saphirblauen Wasser. Dann gab auch noch unser Aussenborder mit lautem Klingeln seinen Geist auf. Ausserdem war der Wind weg und es stand eine nervige Dünung in die Felsenbucht – hatte ich es mir mit den Göttern verscherzt?
Auf der Weiterfahrt nach Zykanthos Stadt schwor ich mir, nicht mehr auf gross angepriesenen Sehenswürdigkeiten reinzufallen. So strich ich gleich den Shipwreck-Strand und die Schildkrötenbucht im Süden der Insel. Schildkröten bleiben gerne unter sich und Schiffswracks verlieren mit Touristenmassen ihren Reiz. Dafür hatten wir jetzt mehr Zeit für die Stadt. Wir legten an der Aussenmole an und wurden somit Kunde beim Yachting Club, der die Plätze verwaltet. Yachtclub wohl deshalb, da mit dem Vereinsmantel die Buchhaltung etwas vereinfacht wird. Am zweiten Tag waren die Angestellten des «Yacht Clubs» schon fast Freunde, wir machten Bekanntschaft mit anderen Yachties und stürzten uns in Tages- und Nachtleben von „Zante“. Der venezianisch angehauchte Glockenturm hatte uns schon von weitem begrüsst, auch der grosse Stadtplatz hat Ähnlichkeit mit San Marco und Venedig. Wen wundert’s, nachdem Odysseus, die Byzantiner und der König von Neapel hier geherrscht hatten, brachten die Venezianer die Stadt zum Blühen. Nach dem verheerenden Erdbeben von 1953 wurde das venezianisch-klassizistische Stadtbild wieder originalgetreu rekonstruiert.
Nur das Beste
Ein paar Segeltage und Inseln später legen wir im Yachtclub NAOK von Korfu an, fast direkt unter einem mächtigen Fort mit Postkarten-Tempel. Auch hier wird das venezianische Erbe sichtbar, interessant kombiniert mit einem Hauch Paris – die Fassadenreihe am Liston könnte genauso gut auch an der Seine stehen. Die quirrlige Stadt atmet Geschichte, in den basarähnlichen Gassen tobt das pralle Leben bis spät in die Nacht. Mit unserem Liegeplatz haben wir auch Zutritt zur angesagten Marina-Disco, souverän geht es spätabends an der Warteschlange der aufgebretzelten Teenies vorbei. Seefahrer-Privileg…
Die kulturellen Highlights Korfus haken wir an einem Postkartenständer ab: Kaiserin Sisis Palast Achilleion, die Kathedrale, die Festung und das Haupt der Medusa im archäologischen Museum schaffen wir so im Schnelldurchgang. Prinz Philips Geburtsschloss „Mon Repos“ und das weisse Kloster Moni Panagia Vlachernon grüssen wir beim Vorbeisegeln Richtung Süden. Speziell das weisse Kloster bestärkt eindrücklich meine Theorie der Sehenswürdigkeiten, die man nicht unbedingt aus der Nähe gesehen haben muss. Die Hotelkästen tauchen auf den Postkartenansichten nie auf, und auch die Tatsache, dass sich dieser Touristen-Hotspot genau unter der Luftschneise mit tieffliegenden Ferienjets befindet, wird gefliessentlich verschwiegen.
So segeln nehmen wir gut gelaunt Kurs auf Paxos. Zusammen mit ihrer kleinen Schwester Antipaxos hat uns die Insel auf dem Hinweg eigentlich am besten gefallen. Hier vereinen sich die Highlights der Ionischen Inseln. Beide Inseln bieten auf der Westseite fotogene Anker- und Badespot mit wild zerklüfteter Kulisse. Antipaxos punktet mit seiner Bade- und Ankerbucht auf der Ostseite. Mit Lakka und Gaios bietet Paxos auch zwei sehenswerte Ortschaften, wie man sie sich als Yachtie wünscht – in gut geschützen Buchten, ideal zum Ankern oder Anlegen, perfekt für den Einkauf und ideal für einen Sundowner am Wasser.
Rückblick
Es beweist sich wieder einmal aufs Neue: die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten ist die von Ferienanfang und Ferienende. So viel hätte man noch tun können, so viele Ankerplätze und Buchten wären noch zu Entdecken gewesen. Es ist das dritte Jahr, in dem wir Segelferien in Griechenland machen und nie wurde es eintönig. Die Menschen sind gastfreundlich und kontaktfreudig und wer länger als eine Nacht an einem Ort bleibt, wird schon fast zum Freund. Es waren herrliche zwei Wochen, das Revier hat uns begeistert und entschleunigt. Für ein entspanntes Tagesprogramm und angenehmes Segeln sorgt die perfekte Windsituation. Am Vormittag kann man bei schwachen wechselnden Thermikwinden entweder unter Motor Strecke machen oder den Liegeplatz geniessen. Nachmittags kann man sich auf eine gleichmässige Brise aus NW bis N verlassen, die mit vier bis sechs Beaufort bläst und nach Sonnenuntergang brav einschläft.
T: STEFAN DETJEN
F: REGINA, MAHE, CAYA DETJEN/UNSPLASH.COM/ADOBE STOCK