Benedek Sarkany – Gone Surfing

WA

100-mal im Jahr hängt das Schild bei Benedek Sarkany an der Tür. Unglaublich, denn Benedek wohnt am Zürichsee. Kein Grund, aufs Surfen zu verzichten. Ganz ohne Beachflair geniesst der Präsident von Swiss Surfing den Fun auf heimischen Gewässern. Dass die Schweiz zwar meerlos, aber nicht wellenlos ist und weshalb circa 50.000 eidgenössische Wave-Follower verstehen, dass man auch ohne Flugmeilen die perfekte Welle findet, davon schwärmt Benedek (genannt Bene) begeistert in diesem flowigen Gespräch.

Wir reden von kalten Flusswellen, künstlichen Indoor- und Outdoor-Wellen – und wenn wir es genau nehmen, auch vom Swell hinterm Motorboot. Egal ob Abenteuer im reissenden Hochwasser oder kontrollierte Wellensets: Die heimische Schweiz ist ein heimliches Surfmekka und bietet ihren süchtigen Wavefans jede Menge Fun. Einige ambitionierte Surfpark-Projekte stehen sogar noch in der Pipeline und warten auf Umsetzung. Um Kunden brauchen sie sicher nicht zu buhlen. Die warten schon im Line-Up. Der Surfsport boomt.

Bene – du wohnst in Meilen. Der Zürisee ist nicht gerade bekannt als Sehnsuchtsort für ambitionierte Surfer. Wieso findet man dich nicht am Meer?

Lacht. Ab und zu bin ich natürlich an der Küste. Klar. Aber Meilen ist ein guter Ausgangspunkt für verschiedene Surfspots in der Schweiz und in Europa. Und ja, es gibt hier Wellen, wenn ein Kursschiff vorbeifährt. Dann rollen abzählbare Sets in die kleine Bucht in der Badi. Dort gebe ich im Sommer Kinderkurse und bringe dem Surf-Nachwuchs die Grundtechniken des Wellenreitens bei. Das Anpaddeln und den Take-off. Die Kids brauchen keine grossen Wellen. Auch wir erwachsene Surfer sind in der Schweiz eher genügsam als wählerisch.

Ist diese Mikrowelle alles, was die Schweiz zu bieten hat?

Durchaus nicht. Es gibt viele anspruchsvolle Spots. Persönlich und in meiner Funktion als Präsident von Swiss Surfing ist es mir wichtig, dass der Surfsport hierzulande gefördert und die Surfkultur gestärkt wird. Viele wissen nicht, dass die Schweiz gute Trainingsmöglichkeiten hat. Wir haben saubere Flüsse und Seen mit kleinen bis kopfhohen Wellen, natürliche und künstliche Anlagen oder die Möglichkeit, hinter einem Wakeboard-Boot zu surfen. Selbst im Winter kann man im Schnee mit einem Powsurfer (Snurfer) durch den Tiefschnee fräsen. Die Schweizer sind durch das Skifahren und Snowboarden an Brettsportarten gewöhnt. Viele haben das Feeling vom Rhythmus des Gleitens und von den Turns im Blut.

In der Schweiz ist der Anblick von lokalen Surfern noch ein Hingucker und Passanten bleiben bewundernd stehen. Wie blicken die «richtigen» Oceansurfer auf die helvetischen Freaks?

Ein Motto teilen sich alle: «Time on water». Das ist an der Reuss so wichtig wie auf Hawaii. Aber klar, da die Schweiz als Binnenland keinen Meeranschluss hat (landlocked), werden die heimischen Wellenreiter von der internationalen Szene belächelt und unterschätzt. Doch beim näheren Hingucken stellen auch sie fest, dass das Surfen hierzulande viele Parallelen zum Ocean-Surfen hat.

Nämlich welche?

Zum Beispiel muss man bei den meisten Flusswellen in die Waves hineinpaddeln oder sich hineintreiben lassen. Dann wartet man den richtigen Zeitpunkt für den den Take-off ab. Wie am Meer sind hier Timing und Koordination wichtig. Auch die Bretter sind vergleichbar mit denen, die Profis in grösseren Ozeanwellen fahren. Im Gegensatz zum Surfen am Meer haben wir den Vorteil, dass wir mehr Zeit auf einer Welle verbringen, da wir nicht auf die Sets warten müssen.

Die Surfszene in der Schweiz war lange Zeit zahlenmässig überschaubar. Ich habe das Gefühl, das hat sich verändert. Wie siehst du das?

Als Präsident von Swiss Surfing kann ich den Trend an den Mitgliederzahlen erkennen: Wir haben seit der Coronakrise einen deutlichen Zulauf erhalten. Im Sommer 2021 habe ich 35 Kinder in der Badi Meilen ausgebildet. Das ist viel. Viele Einheimische habe nach Sportaktivitäten in der Nähe gesucht. Auch an meinem Homespot an der Reusswelle in Bremgarten sind zahlreiche neue Gesichter aufgetaucht.

Seit ein paar Jahren kann man sich auf künstlichen Wellen austoben. Hat das den Trend noch mal angeschoben?

Auf jeden Fall. Der Zugang zu Wellen ist einfacher geworden. Und die sozialen Medien haben das Surfen als Lifestyle noch mal befeuert. Mit einem Brett unterm Arm wirkt man einfach cool. Ich beobachte viele Personen, die vor einer Welle posen, obwohl sie gar nicht auf dem Wasser waren. Die Bilder verzerren oft die Realität, ziehen aber viele an, die sich für den Sport interessieren. An den künstlichen Wellen kann man sich gut mit seinen Freunden verabreden und gemeinsam eine hippe Zeit verbringen.

Dein Herz schlägt fürs Flusssurfen. Was macht den Reiz aus? Wohl kaum das kalte Wasser?

Schmunzelt. Für mich ist und bleibt Surfen ein Natursport. Egal ob auf dem Meer oder auf dem Fluss. Für Fliessgewässer gibt es keine Wave-Apps, da muss man mehr Gefühl und Know-how mitbringen. Ich mag es, alle Wetterfaktoren sowie Strömung und Wasserstand abzuchecken und die Verantwortung für meine Sicherheit und meinen Spass selbst in die Hand zu nehmen. Und das in einer natürlichen Umgebung.

Die Szene am Flussufer ist basic und ehrlich. Zum Beispiel an der Reusswelle in Bremgarten (AG). Hier trifft sich, wem der Sport und das Zusammensein wichtig sind. Da endet ein guter Surftag schon mal am Lagerfeuer mit Wurst und Bier. Für ein bisschen Beachfeeling sorgen die zahlreichen Latino-Expats, die am Fluss Gelegenheit suchen, ihren Lieblingssport auszuüben.

Kann man auf allen Flüssen in der Schweiz surfen?

Die bekanntesten Flüsse mit guten Spots sind die Birs in Basel, die Aare in Thun und die Reuss in Bremgarten. Es gibt ausserdem noch viele andere Möglichkeiten, die je nach Bedingungen funktionieren. Die will ich hier aber nicht promoten, denn nur erfahrene Surferinnen und Surfer sollten sich an neue Spots wagen.

Du weist damit auf Gefahren hin. Wie riskant ist der Sport?

Die grösste Gefahr liegt darin, sein Können zu überschätzen und die Bedingungen zu unterschätzen. Unerwartete Strömungen, Steine unter Wasser, Treibholz und kalte Temperaturen in Kombination mit mangelnder Fitness und Können bergen das grösste Risiko.

Worauf muss man achten, wenn man auf dem Fluss surft?

Wer sich nicht auskennt, soll sich bei den Locals erkundigen. Ein Neoprenanzug als Verletzungsschutz, eine schnell reissende Leash, gute körperliche Fitness, eine Beobachtungsperson und ein Rettungswurfsack sind unabdingbar. Ausserdem muss man Spot und Wetter ständig im Auge behalten.

Ist Surfen in der Schweiz eine Einstiegs- oder eine Ersatzdroge für das Soulsurfen auf dem Meer?

Für die meisten dient es als Einstiegsdroge. Dank der künstlichen Wellen können Anfänger ihre Surfkarriere bestens planen. Durch Training unter Laborbedingungen haben sie mit wenig Aufwand eine hohe Erfolgsquote. Das ist eine gute Basis. Wenn sie der Surfvirus gepackt hat, machen viele weiter. Manche steigen auf die anspruchsvollen Flusswellen um. Die meisten zieht es jedoch früher oder später ans Meer. Nur wenige bleiben ihren Wellen in der Schweiz ohne Blick auf Atlantik & Co. treu.

Ist Surfen ökologisch?

Solange man den Sport in der Schweiz betreibt, ist er sehr ökologisch. Speziell beim Flusssurfen. Wer mit dem ÖV und dem Velo zum Flussspot fährt, schadet der Umwelt nicht.  Wie ökologisch der Sport ist, entscheiden alle für sich selbst. Wer für ein Wochenende den Kick-Ride auf den Kanaren sucht, weiss heutzutage selbst, welchen Schaden er an der Umwelt verursacht.

Was rätst du Personen, die in der Schweiz ihre Surfkarriere anfangen wollen?

Der Start in einer künstlichen Welle ist optimal, um die ersten Schritte zu lernen. Nach einer Grundeinführung und anschliessendem Training schafft es jede und jeder, auf dem Brett zu stehen. Die ersten Fahrversuche auf einer Flusswelle zu machen, ist ein harter Einstieg. Grundsätzlich gilt:

Eine gewisse Fitness, Beweglichkeit und ein ausgeprägter Gleichgewichtssinn sind von Vorteil. Und natürlich die Liebe zum Wasser.

T: Paula Klemt

F: Alaia Action Sports/Pointbreak/OANA/Swiss Surfing/Paula Klemt/ZVG

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