Im Rudersport zeichnet sich ein neuer Trend ab, der deutlich mehr Action verspricht: Coastal Rowing. Gerudert wird nicht auf stillen Seen, sondern dem offenen Meer und unruhigen Flüssen. Und die Beliebtheit wächst dermassen, dass Coastal Rowing an den Olympischen Spielen in Los Angeles 2028 voraussichtlich erstmals ins Programm aufgenommen wird.
Coastal Rowing ist die Wildwasser-Variante, quasi das Mountain Biking des Rudersports. Gerudert wird nicht auf stillen Seen, sondern dem offenen Meer und unruhigen Flüssen. Sieht nach Spass aus. Und ist es auch. Denn normalerweise scheuen Ruderer die Wellen. Anders die Costal Ruderer. Sie steuern sie gezielt an, um den Funfaktor zu erhöhen. Auch wenn oder vielleicht gerade weil man dabei auch mal kräftig nass wird. Coastal Rowing – quasi das «Mountainbiking des Rudersports» – ist hektisch, dynamisch und vor allem eines: nass. Einzig die Ruderbewegung ist mit dem Rudern auf flachem Wasser vergleichbar. Alles andere ist anders. Boote, Distanzen und Rennmodus.
Stabilere, breitere und wendigere Boote ermöglichen das Surfen auf den Wellen und geben die nötige Stabilität. Ein offenes Heck lässt Wasser problemlos ablaufen. Die Boote sind auch für Ruderanfänger geeignet, mit der Ruderbewegung sollte man sich jedoch schon mal vertraut sein. Besondere körperliche Voraussetzungen braucht es aber nicht. Bereits mit wenig Kraftaufwand können gute Geschwindigkeiten und jede Menge Spass erreicht werden. Dadurch, dass die Locations andere sind als beim klassischen Rudern und man sich mehr am Strand befindet, assoziiert man natürlich eher Fun und Freizeitvergnügen als das Elitäre, was Rudern sonst ein bisschen anhaftet.
Junge für die neue Olympiadisziplin begeistern
Ruderwettkämpfe an Küstenabschnitten mit Wellenbrechern versprechen Action pur und erfordern eine komplett andere Rudertechnik als auf der traditionellen, geraden Rennstrecke. Wasserfeste Athletinnen und Athleten mit grossen Balance-Fähigkeiten und explosiver Kraftausdauer gibt es. Oft aber in anderen Sportarten. „Nachdem World Rowing mitgeteilt hat, dass die Disziplin «Beach Sprints» als mögliche Olympia-Disziplin vorgeschlagen wird, ist der gewünschte Athleten/-innen-Typ nun bekannt. Nun kann man gezielt nach geeigneten Coastal-Ruderinnen und -Ruderern Ausschau halten, sobald mehr Details zu den Anforderungen bekannt sind», sagt Christian Stofer. Der Verbandsdirektor von SWISS ROWING steht vor der mittelfristigen Herausforderung, parallel zum traditionellen Ruder-Olympiakader eine weitere Leistungsgruppe für die neue Olympiadisziplin zu rekrutieren. Nichts weniger als eine Olympiateilnahme an den Spielen in Los Angeles 2028 winkt. «Mit Coastal Rowing sprechen wir nebst den bereits im Rudersport engagierten Personen an Action-Sportarten interessierte Menschen an, die wir für den traditionellen Rudersport nicht gewinnen würden», sagt Stofer.
7 Bootsklassen, 2 Wettkampfformate
Je höher die Wellen gehen, desto grösser die Action, desto mehr Spektakel für das Publikum. Die Wettkämpfe werden in sieben Bootsklassen ausgetragen, wobei es der Balance halber nur Skull-Boote gibt: den Einer (CM1x / CW1x), Doppelzweier (CM2x / CW2x), Mixed-Doppelzweier (CMix2x) und den gesteuerten Doppelvierer (CM4+ / CW4+).
Coastal Rowing kennt aktuell zwei Wettkampfformate. Das Ausdauerformat wird über eine Distanz von vier bis sechs Kilometer in einem grossen Rechteck um mehrere Bojen ausgetragen. Nicht nur die Rudertechnik und Balance, sondern auch das Navigieren und Andriften von Bojen im Wind und bei Strömungen können den Rennverlauf stark beeinflussen. Ein Ausdauerrennen dauert rund 20-40 Minuten. 10-20 Boote starten aufs Mal, was bei den Bojen durchaus zu Engpässen führen kann.
Die Beach Sprints bilden das zweite Wettkampfformat. Spektakel pur bieten diese Ausscheidungsrennen Boot gegen Boot. Gestartet wird an Land mit einem Sprint bis zum Boot. Ein rasches Einsteigen ins Boot ist wichtig und kann entscheidend sein. Die Ruderstrecke beträgt lediglich 250 Meter bis zu einer Wendeboje – und wieder zurück. Die Wettkampfstrecke kann einen Slalom-Parcours beinhalten. Es folgt erneut ein Sprint an Land bis zur Ziellinie. Der Sieger ist dann eine Runde weiter. Wer seine Abläufe perfektioniert, gut sprintet, gut in den Wellen rudern kann, über starke Explosivkraft verfügt, Einflüsse durch Wind und Wellen toleriert und eine gute Erholungsfähigkeit hat, wird den Unterschied ausmachen und bei den Beach Sprints gute Karten haben.
International nimmt die actiongeladene Olympiadisziplin seit einigen Jahren Fahrt auf. An den Youth Olympic Games in Dakar 2026 wird für die Sportart Rudern ausschliesslich das Coastal Rowing zur Austragung gelangen und somit die olympische Feuertaufe erleben. Vor allem Küstenländer sind die treibende Kraft, zumal Coastal Rowing auch in weiten Teilen Afrikas, Asiens sowie an den Küsten Nord- und Südamerikas betrieben wird. In der Schweiz rücken indessen windexponierte Seen in den Fokus, auf denen der traditionelle Rudersport oftmals einen schweren Stand hat.
Nach der ersten Schweizer Coastal-Rowing-Regatta in Lausanne auf dem Lac Léman im Jahr 2021 kommt es dieses Jahr mit der Bodensee Coastal Rowing Regatta in Arbon am 10. September 2022 zur Deutschschweizer Premiere. Die Veranstalter vom Seeclub Rorschach und Seeclub Arbon hoffen wohl zum ersten Mal in ihrer Vereinsgeschichte auf stürmisches Wetter.
Erste Schweizermeisterschaften im Coastal Rowing
Die ersten Coastal Rowing-Schweizermeisterschaften fanden im Rahmen der Regatta «Léman-sur-mer» am 5. November 2022 in Lausanne statt. In drei Kategorie der Elite-Klasse und in drei Disziplinen bei den Junioren/-innen wurden die ersten SM-Titel vergeben
T: Stefan Detjen
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