Die Liebesgeschichte von David und seinem Wooden Ship Mayan.
“To everything (turn turn turn) there is a season (turn turn turn) and a time to every purpose, under heaven.” Als die Gruppe The Byrds diesen Song im Jahr 1965 aufnahm, waren die USA gespalten durch den Vietnamkrieg. Einer dieser Byrds war David Crosby, der Gitarrist, Sänger, Songwriter und Gründungsmitglied der Gruppe. Der in Los Angeles geborene Crosby war ein verwöhnter und rebellischer Junge, der von mehreren Schulen verwiesen wurde. Ausserdem kam er bereits früh mit dem Gesetz in Konflikt. 1960 liessen sich seine Eltern scheiden. Und etwa in dieser Zeit entdeckte er die Folkmusik.
Aber viel früher, als er 11 Jahre alt war, entdeckte er eine andere grosse Liebe. Um zu verhindern, dass er irgendwelchen Abenteuern nachging, meldeten ihn seine Eltern in der Segelschule der Sea Shell Association in Santa Barbara an. «Ich hatte das Gefühl, das schon getan zu haben. Ich war ein Segler aus Berufung, was auch einer der Gründe war, warum ich später den Song ‘Déjà vu’ geschrieben habe. Das erste unabhängige Segeln auf einem Segelboot veränderte mich. Ich ging da hin, am nächsten Tag, am übernächsten und jeden Tag. Das Segeln wurde eines der wichtigsten Dinge in meinem Leben. Und irgendwann fing ich an, mit meinem Dinghy durch den Hafen zu fahren, um möglichst nahe bei den Segelbooten zu sein, die dort ankerten. Besonders gefiel mir ein schöner Schoner aus Holz, der – wie ich dann später erfuhr – vom grossen amerikanischen Designer John Alden entworfen worden war. Aber als mein Selbstvertrauen immer grösser wurde, begann ich, immer weiter zu den Bojen im Aussenhafen zu fahren. Das erschreckte und störte die Leute und sie warfen mich aus dem Club.»
«Meine nächste Segel-Erfahrung war 1967, als ich bei den Byrds rausgeworfen wurde. Ich lieh mir 25’000$ von meinem Freund Peter Tork (The Monkees) und fuhr nach Fort Lauderdale auf der Suche nach einem Schoner. Ich fand einen, der fast genauso aussah wie der von John Alden, den ich vor Jahren so bewundert hatte. Also kaufte ich ihn. Der 74-Fuss Segler hiess Mayan und wurde 1947 in Belize aus honduranischem Mahagoniholz gebaut. Er bietet Platz für 8 Personen, aber idealerweise sind 6 an Bord: 4 an den Manövern, 2 für Kochen und Putzen. Nun wollte ich erfahren, wie man auf einem solchen Boot umgeht. So habe ich viele Freunde kennengelernt. Erfahrene Segler, die auf meinem Boot fahren wollten und mir alles beigebracht haben, was ich brauchte. Ein Jahr später beschloss ich, das Boot nach San Francisco zu verlegen. Ich wohnte ständig darauf bis 1970. Und während dieser Zeit schrieb ich viele meiner Hits, inkl. ‘Wooden Ships’, ‘The Lee Shore’, ‘Page 43’ und ‘Carry me’. Mayan war mein Museum. Ich war ein sehr sorgfältiger und vorsichtiger Yachtbesitzer. Ich und vorsichtig, das tönt irgendwie lächerlich, nicht wahr? Und doch, in dieser Beziehung war ich sehr seriös. Hatte alle möglichen Ersatzteile dabei. Denn wenn du 1,500 Meilen von der Küste entfernt bist, bist du dazu gezwungen, vorsichtig zu sein. Da ist keiner auf dem Meer, den du rufen kannst. Du bist auf dich alleine gestellt.»
David Crosby war nicht immer so vorsichtig. Seine professionelle Karriere als Musiker war sehr erfolgreich. The Byrds wurden zu einer der erfolgreichsten Bands ihrer Zeit. Mit seiner Rhythmusgitarre, seinem Hintergrundgesang und vor allem auch mit seinen unüblichen Akkordfolgen verlieh er der Band eine besondere Note. Aber die Spannungen innerhalb der Band steigern und entladen sich schlussendlich beim Monterey Pop Festival 1967, das die Hippie-Bewegung aus San Francisco auf einen Schlag weltweit bekannt macht. Aber David war eben Crosby. Er verärgerte seine Mitstreiter mit politischen Statements, dann bat ihn sein Kumpel Stephen Hills, bei seiner Band Buffalo Springfield für Neil Young einzuspringen. Als sich die Byrds im Streit von ihm trennen, wird das der Beginn einer Jahrzehnte langen Hassliebe mit der neuen Band ‘Crosby, Stills and Nash’, später kam noch Young dazu. Aber die Zusammensetzung der Band erwies sich als durchschlagend. Als ihr Debütalbum im Mai 1969 erscheint, erreicht es in den USA Platz 6 der Charts. Im August 69 stehen sie beim legendären Woodstock Festival gemeinsam auf der Bühne und feiern einen riesigen Erfolg. Die Songs sprudeln nur so aus ihnen heraus. Sie erreichen die Spitze der US Charts. Aber der Erfolg all seiner Projekte vermag es nicht, das dunkle Loch in seinem Inneren zu verbergen. Der Tod seiner Freundin Christine Hinton verschlimmert seine schon vorhandene Drogenabhängigkeit erheblich.
Als Superstar in den Siebzigern liessen sich viele Probleme vertuschen, zumal er erfolgreich mit verschiedenen Bands (Jefferson Starship, Buffalo Springfield, CPR) Platten veröffentlicht. Aber in den Achtzigern wendet sich das Blatt. 1982 verbringt Crosby neun Monate in einem Knast in Texas, nachdem ihn die Polizei mit Heroin, Kokain und einer Waffe erwischte. 1985 wird er erneut verhaftet, als er betrunken einen Autounfall verursacht und erneut Drogen und eine Waffe dabei hat. Seine Kumpels halten jedoch (noch) zu ihm. 1982 erscheint ‘Daylight again’ und 1985 treten CSNY gemeinsam bei Live Aid auf. Es ging wieder bergauf, aber die jahrelangen Exzesse haben Folgen für seine Gesundheit. 1994 kommt sein Freund Phil Collins für die Kosten einer Lebenstransplantation auf.
Die Karriere schien weiterhin glatt zu laufen, bis es 2015 erneut zum Eklat kommt. Crosby zerstreitet sich endgültig mit Nash. Bezeichnenderweise ist der letzte Auftritt des Trios ein völlig verhunzter, als sie beim Weihnachts-Empfang von US-Präsident Barack Obama ungewollt ‘Silent Night’ dekonstruieren. Trotz einer Solokarriere machen sich seine gesundheitlichen Probleme weiterhin bemerkbar. Welchen Einfluss Crosby musikalisch hat, aber auch was für ein schwieriger Mensch er ist, wird in einem Interview, das Regisseur Cameron Crowe mit ihm für den Rolling Stone führt, sehr deutlich.
Aber hier kommt seine Mayan ins Spiel. Denn auf Mayan konnte er sich immer verlassen. Sie wurde im wahrsten Sinne des Wortes sein Fels in der Brandung. Auf der Mayan konnte er den Verrückten in seiner musikalischen Welt entfliehen. Auf dem Schiff konnte er ein normales Leben führen, wann immer er das brauchte. An Bord der Mayan war er ungeachtet seines Ruhms einfach der Skipper, nur ein Segler, ein Freund. Unter ihrem Schutz konnte er arbeiten und sich ausruhen. In den 45 Jahren mit Mayan schrieb er viele Songs an Bord, wie ‘Wooden Ships’, für den ihm Mayan als Muse diente. Von ihr konnte er ins Meer springen, um in den schönsten Riffen der Welt zu tauchen. ‘It was cool’.
Nach den Jahren in Marin und obwohl er die Segler-Community in San Francisco sehr genoss, zog er sich und Mayan zurück zu seinem Heimathafen in Santa Barbara, wo er aufgewachsen war und heute noch lebt. Hier hatte er Segeln gelernt, der Kreis schloss sich. Die Leute am Hafen grüssten ihn als einen der ihren. Die Stadt liess ihn in Ruhe, liess ihn einfach einer der Guys sein.
Aber irgendwann kam der Abschied von Mayan. Sie war einige Jahre auf dem Markt, aber David’s Frau Jan drohte, ihm beide Hände zu brechen, wenn er die Mayan verkaufen würde. Es war sehr schwierig für David, sich von seiner Muse zu trennen. Viele Monate vergingen mit unzähligen Mails, Überlegungen, was er mit Mayan tun würde, auch um die künftigen Besitzer zu testen, ob sie wohl auch gut genug für sie waren. Aber schliesslich verkaufte er die Mayan, für die er vor 45 Jahren $25’000 bezahlt hatte, für $750’000. Aber er scheint die richtige Wahl getroffen zu haben, denn der neue Besitzer Beau Vrolyk wusste, dass die Mayan immer ‘David’s Boot’ sein würde, und David weiss, dass er immer an Bord willkommen ist. Als Beau mit der Mayan in den Hafen von Newport Beach einlief, fragte der Hafenmeister: ‘It’s great to see Mayan back in our harbor, it has been too long. Will David be showing up?’
Die Liebesgeschichte von David und Mayan wird also weitergehen. Immerhin war Mayan seine Lebensretterin, oder zumindest war sie besser als alle medizinischen lebensverlängernden Massnahmen. Hier konnte er den inneren Akku aufladen, bekam Mineralien, beruhigende Meeresluft, Meeresbrise für die Atemwege und Sonnenvitamine. Sie diente ihm auf wundervolle Weise. Obwohl ich mir nicht sicher bin bei diesen Liebesgeschichten mit Segelbooten. Gehörte Mayan David, oder David Mayan? Wie auch immer. Ein Teil von David wird immer bei ihr an Bord sein. Seine Musik ist längst in ihrer hölzeren Seele. Und ihre 45-jährige Liebe ist ein weiteres Beispiel für die Heilkraft des Segelns.
Aber nachdem ich mich etwas intensiver mit David und Mayan beschäftigt habe, frage ich mich, ob sie den Titel meines Lieblingssongs der Byrds richtig geschrieben haben. Da hat David doch dran gedreht. Bin mir mittlerweile sogar sicher, dass sie ‘Törn, Törn, Törn’ singen.
T:Isabelle Arnau
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