Stilsicher

Invictus – der Unbesiegtbare. Der Name steht für die äusserst erfolgreiche Motorbootlinie von Designer Christian Grande, die bei der Aschenez Werft in Süditalien gebaut wird. Noch zutreffender wäre ein anderes Attribut: der Unwiderstehliche.

Wave hat die letzten Neuheiten der italienischen Nobelmarke in Cannes (Invictus GT320S) und in Santa Margherita (Invictus TT420) ausgiebig getestet. Immer wieder erstaunlich, wie sich die Handschrift des charismatischen Designers durch die gesamte Modelllinie zieht. Die Range der TT Serie umfasst vier Modelle von 280 bis 460, bei der GT Serie hat man bei den Invictus-Händlern die Wahl zwischen sechs Modellen von 280 bis 370. Die Aussenborder erkennt man an der S-Modellbezeichnung. Um es gleich vorwegzunehmen: wir favorisieren die Innenborder – sie behalten die eleganten Linien bei und bieten auch punkto Gewichtsverteilung eher Vor- als Nachteile.

Doch sachliche und technische Aspekte treten sofort in den Hintergrund, wenn man eine Invictus-Yacht am Steg erblickt. Sie ist nicht nur ein Hingucker, sie fasziniert ganz einfach. Wenn das umgebende Setting wie im Falle des ligurischen Hafenstädtchens passt, spielt im Kopf die geeignete Musik dazu: That’s Amore. Zugegeben, das Invictus-Design definiert sich eher über kraftvolle Merkmale wie den beilförmigen Bug als über filigrane Linien. Und doch strahlt die Yacht speziell in grösseren Dimensionen eine sehr gefällige Eleganz aus. Designer Grande sieht sein Werk eher als mobile und markante Skulptur denn als profanes Boot. Und er gibt auch gleich einen seiner gestalterischen Kniffe preis: „Ich spiele gerne mit Kontrasten, ob das jetzt das Material oder die Farbe betrifft. Kontraste sind spannender für das Auge. Das funktioniert auch mit Oberflächen. Sehen Sie hier, matt neben glänzend, auch das ergibt ein interessantes Seherlebnis.“

FORM UND FUNKTIONALITÄT
Dass Christian Grande sein Handwerk beherrscht, hat er in der Vergangenheit mehrfach bewiesen. Er kann sich stylistische Spielereien wie die Boxen in Form von retrogestylten Ansaugstutzen (Grande hat ein Faible für Automobildesign) erlauben, weil er nie das Gesamtkonzept aus dem Auge verliert. Und die 420er ist wirklich komplett und gut durchdacht. Die Einteilung der verschiedenen Raumkonzepte, die Gliederung des Outdoorteils, die patente Lösung der Bugliege, die sich in einen komfortablen Sessel verwandelt – Grande weiss, wie man auf dem Wasser leben und geniessen möchte. So ist diese Yacht als Weekender ideal und als Luxustender viel zu umfangreich. Denn hier lässt es sich richtig leben, sonnenbaden, kochen, duschen, schlafen. Bester Beweis ist die überraschend grosse Kabine, die man so nicht erwarten würde – es gibt nämlich gleich zwei davon für vier Personen. Der Schlafraum im Bug bietet zwei Schlafplätze, die sich vom Einzel- zum Doppelbett verschieben lassen. In der geöffneten V-Konfiguration ergibt sich ein Salonteil mit entsprechendem Tisch in der Mitte. Zwei grosse Kühlschränke in der Wand nach dem Niedergang sorgen für genug Lagerraum an gekühlten Getränken. Im Mittelteil öffnet sich eine Kabine über die gesamte Schiffsbreite mit zwei Einzelbetten. Selbst das Bad erscheint grosszügig und gewohnt Grande-elegant.

Im Aussenbereich setzt Grande auf sein bewährtes Konzept der Zonenaufteilung, die separiert, aber nicht abtrennt, damit auch mehrere Passagiere sich nach Lust und Laune an Bord bewegen und aufhalten können. Unter dem T-Träger befindet sich der Steuerstand, wo zwei weitere Sitze den Pilotsitz flankieren. Eine Voll- glas-Windschutzscheibe schirmt die Geniessercrew vom Fahrtwind ab. Mit einer Art Schiebeluke kann man trotzdem den Luftzug weiter nach hinten leiten, was an heissen Tagen willkommene Erfrischung bringt. Auch die Outdoor-Küche profitiert vom Schattenschutz des stromlinienförmigen Daches, das mit einem Bimini über die Sitzzone mit Platz für acht Personen verlängert werden kann. Daran schliesst sich die Liegezone an, sehr schön zugänglich mit viel Walkaround-Platz. Das offene Heck macht die 420 TT optisch noch länger und sorgt für einen sportlichen Touch. Bei unserem Testmodell war eine elektrisch ausfahrbare Gangway unsichtbar integriert.

POWERWAVER
Die Invictus 420 TT ist nicht nur schön und elegant, sie ist auch schnell und sicher. Wir haben das beim Verlassen des geschützen Golfes bestens verifizieren können. Weiter draussen stand eine ruppige Welle über einer alten, aber ausgeprägten Dünung. Die 420 TT marschiert da mit Leichtigkeit durch, natürlich nicht mit Maximumspeed, sondern mit einer vernünftig angepassten Reisegeschwindigkeit. Die beiden Volvo Penta Innenborder schieben die 12.3 Meter lange Yacht souverän durchs Mittelmeer. Kursänderungen und Slalomfahren, enge Kurven – kein Problem. Beim (Unterwasser-) Rumpfdesign hat sich Grande zusätzliche Kompetenz an Bord geholt und auch diese Zusammenarbeit bewährt sich in jeder Situation. Wir kitzeln mit neun Personen an Bord eine Höchstgeschwindigkeit von 34,2 Knoten aus dem 1.4 Tonnen schweren Designpfeil und geniessen elegantes
Cruisen mit rund 10 Knoten (2000 U/min) bei absolut vernünftigen Verbrauchs-
werten von etwas mehr als 28 Liter.

Mit etwas mehr wie Standgas gönnen wir uns eine Rundfahrt in Portofino, wo die ersten Teilnehmer der Maxiregatta eintreffen. Die Invictus 420 TT zieht selbst hier alle Blicke auf sich, wo man doch allerlei Luxus und Design gewöhnt ist. Braucht es noch einen weiteren Leistungsbeweis?

TEAMWORK MAKES THE DREAM WORK
Ein multidisziplinärer Ansatz ist laut Christian Grande der wichtigste Faktor
im Design, da er in seiner Arbeit das Wissen als Yachtingenieur, visueller Gestalter und Architekt vereint. Und bei Invictus ist
Designmaestro Grande gleich vom Gesamtkonzept bis hin zum Marketing involviert. Wobei er anerkennt, dass es heute vor allem Marktnähe braucht, um erfolgreich verkaufen zu können. Sind diese Anforderungen bekannt, beginnt die Arbeit im Designstudio. Von der Wahl der
externen Partner bis zum Produktionszyklus; von der Durchführbarkeitsstudie bis zur Verwendbarkeit der Materialien und der ständigen Kostenbewertung: jedes Bootsmodell wird nach industriellen Gesichtspunkten konzipiert, während die Ästhetik quasi als DNA integriert ist. Die technischen Lösungen durchlaufen bei
der Werft Aschenez nochmals einen Prüfzyklus, hier sorgt die Ingenieurin Rosa Iannì dafür, dass alles wie gedacht funk- tioniert. Weitere Frauenpower kommt aus dem Marketing, wo Valentina Procopio das Nötige unternimmt, dass die Invictus-Boote neue Kunden gewinnen können. Der Wachstumskurs der südita- lienischen Werft zeigt deutlich nach oben – ein Beweis, dass die Akteure alles richtig machen. Bravo ragazzi!

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