ELENA SANDERA – iQFoil-Windsurfen Sie war noch niemals … in Paris, bei den Olympischen Spielen

Vom verrückten Traum der jungen Elena Sandera, sich als Freizeit-Windsurferin in der iQFoil-Klasse für die Olympic Games zu qualifizieren.

So stelle ich mir die Profikarriere einer Olympionikin wirklich nicht vor. 3 Jahre Training und dann das Ziel, sich mit der Welt-Elite zu messen. Bilder vom Film «Cool Runnings» tauchen ungefragt vor meinem inneren Auge auf, wenn Elena mit spritziger Begeisterung von ihrer mageren Windsurfkarriere und ihrem Traum von der Reise nach Paris erzählt. Sollte es so einfach sein, unter die Besten der Besten zu fahren, wenn man nur eine Vision und genug Durchhaltewillen hat?

Wir werden es sehen. Die Würfel sind noch nicht gefallen. Die Qualifikation für die 5 magischen Ringe findet im Frühjahr in Hyères in Südfrankreich statt. Aber egal, ob Elena schon dieses Jahr nach Paris reist oder erst 2028 nach Los Angeles, ihre Story beeindruckt schon jetzt – auch ohne olympisches Edelmetall.

Als ich mit Elena spreche, ist sie gerade auf Lanzarote angekommen. Mit Sack, Pack, Trainer und Trainings-Partnerinnen verbringt sie ihren Winter als Vorbereitung auf das grosse Event.

WAVE: Elena, das ist dein letzter Trainingswinter vor den Olympischen Spielen. Wie kann ich mir deine Tage auf den Kanaren vorstellen?

Elena: Tagesplan-Besprechung mit meinem Coach, Henry Bloodworth. Wenn möglich, morgens und nachmittags eine Session auf dem Wasser und danach Kardio und Kraft-Training. Heute hatte es viel Wind. Da bin ich Velo gefahren.

Bei zu viel Wind – Velofahren? Da zieht es doch jeden Windsurfer erst recht aufs Wasser.

Im Gegensatz zu anderen Windsurfdisziplinen, bei denen es um Funsport geht, haben wir strikte Trainingspläne, die auf das iQFoil ausgelegt sind. Da gibt es eine passende Windrange, die sinnvoll ist. Wenn die Windstärke darunter oder darüber ist, muss ich andere Sportarten für meine Fitness machen.

Kommen wir gleich zu der entscheidenden Frage: Wie kommst du auf die Idee, als Freizeitsportlerin bei den Olympischen Spielen mitzumachen?

Die Frage höre ich oft. Wie jeden Sommer war ich auch vor 3 Jahren mit meiner Familie beim Windsurfen am Gardasee. Ich habe gesehen, wie der italienische Kader in der iQFoil-Klasse trainiert hat.  Das hat mich völlig fasziniert. Ich wollte sofort alles über diese Disziplin erfahren und es selbst ausprobieren. Und das, obwohl ich bis dahin noch nie mit einem Foil gefahren bin.

Ich bekam dann die Chance, es zu testen, und als ich zurück an Land war, stand für mich fest – ich will an die Olympiade. Da war ich 18 Jahre alt.

Klar, wer kommt nicht sofort auf die Idee, sich unmittelbar nach dem Schnupper-Surfen bei den Olympischen Spielen anzumelden. Ist das nicht ein bisschen vermessen?

(Lacht) Ja, schon. Da wusste ich auch noch nicht, was alles dahintersteckt. Aber jedes Projekt fängt erst einmal mit einer Idee an.

Aller Anfang ist bekanntlich schwer. Wie hast du den Sprung in dein neues Leben gemeistert?

Ich hatte gerade erst mit dem Medizinstudium begonnen und habe die Idee mit der Windsurfkarriere erst einmal ruhen lassen, um mich auf mein Studium zu konzentrieren. Dann habe ich mir ein komplettes Set gekauft, habe 3 Monate auf Teneriffa geübt und seitdem nicht mehr aufgehört. Da es gerade Corona-Zeit war, konnte ich Windsurfen und Online-Studium einigermassen gut miteinander kombinieren. Aber nach einiger Zeit musste ich mich entscheiden: Medizin oder Windsurfen. Das Ergebnis der Entscheidung sieht man ja jetzt.

Erzähl doch mal von den Etappen deiner kurzen Profikarriere.

Ich kann die 3 Jahre gut unterteilen.

Jahr 1: Das war das Jahr der Überforderung. Ich musste sehr viel lernen. Anfangs wusste ich nicht einmal, wie man das Segel aufbaut oder trimmt. Ich habe mir viel abgeschaut, zugehört und ausprobiert und versucht, ein Gefühl für den Sport zu bekommen. Und ich bin viel belächelt worden. Man hat mich nicht ernst genommen. Als ich bei der Schweizer Meisterschaft spontan einen Podestplatz erreicht habe, dachte ich, das sei wie in der Schule. Wenn man viel leistet, bekommt man automatisch ein gutes Ergebnis. Aber Profi-Windsurfen ist viel komplexer. Das habe ich mir anfangs nicht so vorgestellt.

Jahr 2: Da hatte ich das erste Mal einen Coach und Trainingspartnerinnen. Eine Holländerin und eine Norwegerin. Da wurde mir erstmals bewusst, wie es ist, für die Olympischen Spiele zu trainieren. Meine Tage liefen ab dann nach Trainingsplänen ab und neben dem Windsurfen habe ich noch Gewichte gestemmt. In diesem Jahr habe ich bei der Schweizer Meisterschaft den 1. Platz nur um einen Punkt verfehlt.

Jahr 3: Im Januar 2023 habe ich den Coach gewechselt. Ein grosser Step, da er ein Profi in der iQFoil-Disziplin ist. Die Sportart ist jung und zum ersten Mal bei den Olympischen Spielen vertreten. Henry, mein Coach, hat mein Set-Up und meine Fahrtechnik auf den Kopf gestellt und das hatte sofort positive Auswirkungen auf die Regatta-Resultate. Ausserdem habe ich begonnen, mit einer Mentaltrainerin zu arbeiten. Dank den beiden konnte ich bei den internationalen iQ-Games auf den 3. Platz fahren. Ich war stolz, Konkurrentinnen zu überholen, die viele Plätze vor mir gelistet waren.

Seit ca. 2 Jahren trainiere ich 6 Tage pro Woche. Etwa 300 Tage im Jahr.

Wie siehst du deine Chancen bei den Olympischen Spielen?

Sollte ich mich für 2024 qualifizieren, werde ich wahrscheinlich noch keine Medaille einfahren. Ich will einfach einen Startplatz bekommen. Ein Podestplatz für dieses Jahr war zwar anfangs mein Ziel, aber ich habe schnell festgestellt, dass es nicht realistisch ist. Es ist einfach, sich Ziele zu setzen, wenn man keine Ahnung von der Materie hat (schmunzelt). Die Medaillen hebe ich mir für 2028 auf.

Wie macht man das, sich für die Olympischen Spiele zu bewerben?

Man muss im Gesamt-Ranking an der Spitze fahren und sich im internationalen Auswahlverfahren behaupten. Zuerst muss ich mit meiner Leistung dafür sorgen, dass sich das Land Schweiz überhaupt in dieser Disziplin qualifiziert, denn es nimmt immer nur eine Person pro Nation teil. Danach diskutieren die Verbände, ob und wer an den Olympischen Spielen teilnehmen soll. Swiss Sailing und Swiss Olympics sind hier die entscheidenden Player. Insgesamt treten 22 Fahrerinnen und 22 Fahrer an. Die Entscheidung liegt letztlich nicht in meiner Hand.

Du hast noch keine Verbandskarriere hinter dir und bekommst somit keine finanzielle Unterstützung. Wer fördert dich?

Das stimmt, wenn man keine Leistungslaufbahn vorweisen kann, dann muss man sich selbst um Organisation und Finanzen kümmern.

Meinen Start habe ich mir selbst bezahlt und als es dann ernster wurde, haben mich meine Eltern unterstützt. Sie sind auch begeisterte Windsurfer und haben Verständnis für meine Karrierepläne. Anschliessend habe ich mich um Sponsoren und Crowdfunding gekümmert, damit ich meine Reisen, einen Bus und das Material finanzieren kann. Ich teile mir meinen Trainer mit anderen Kompetitorinnen, dann wird es etwas günstiger. Als Nobody Sponsoren zu finden, ist nicht einfach.

Das bedeutet, wer Geld hat, kann sich seine Chancen erkaufen?

Geld ist sicherlich ein wichtiger Faktor. Als Windsurfer sind wir bei den Olympischen Spielen im Gegensatz zu den Seglern in der Budget-Klasse. Was jedoch genauso wichtig ist wie Geld, ist die mentale Unterstützung. Freunde und Verwandte, die an einen glauben. Die Emotionen sind manchmal heavy. Die muss man irgendwo ablassen können. Nach einer vergeigten Regatta braucht man Rückhalt, sonst würde man alles hinwerfen.

Was braucht man noch, um ein Siegertyp zu sein?

Jede Menge Ehrgeiz und Durchhaltevermögen. Den Glauben an sich selbst und die Vision. Von diesen Softskills hatte ich schon seit jeher sehr viel. Das macht mich zuversichtlich, dass ich mein Ziel erreichen werde.

Du holst dir deine Unterstützung auch in den Sozialen Medien. Ist das immer hilfreich?

Der Support der virtuellen Community ist ein zweischneidiges Schwert. Ich habe mich bewusst entschlossen, die Öffentlichkeit an meiner Vision teilhaben zu lassen. Auf Instagram habe ich momentan über 10.000 Follower. Der Druck erhöht sich, aber das spornt mich an. Ausserdem ist Internetpräsenz wichtig für die Sponsoren. Ich kündige alle Wettkämpfe an und muss auch darüber posten, wenn es nicht so gut lief. Das ist manchmal eine grosse Überwindung. Aber ich will mich als Mensch präsentieren mit allen ups and downs. Manchmal bekomme ich auch Hater-Kommentare. Aber daran habe ich mich schon gewöhnt. Die nehme ich nicht persönlich.

Du hast die Community World of Windsurf Girls gegründet. Warum und was ist das Ziel?

Aufgrund meiner eigenen Amateur-Laufbahn habe ich Verständnis für andere ambitionierte Windsurferinnen, die nicht von einem Verband unterstützt werden. Ich habe mich mit zwei anderen Spitzen-Windsurferinnen zu einem unabhängigen Trainingsgruppe zusammengetan, damit wir unsere Strukturen selbst bestimmen können. Das langfristige Ziel der Gemeinschaft ist, Newcomern organisatorische Unterstützung zu bieten, bis sie von einem Verband übernommen werden.

Kommen wir noch zu der Disziplin iQ-Foil. Was kann man sich darunter vorstellen?

Seit 1984 ist Windsurfen bereits olympische Disziplin. Das Material hat sich im Laufe der Zeit verändert und 2024 wird zum ersten Mal mit einem Foil gefahren. Mit dem Material erreichen wir bis zu 60 km/h auf Raumwind-Kursen. Vorher waren es nur durchschnittlich 45 km/h. Alle benutzen die gleichen Bretter. Männer und Frauen. Nur bei den Segelgrössen gibt es Unterschiede. Da dürfen die Damen 8m2 anstelle von 9m2 bei den Herren nutzen. Wie alle Segler und Kitesurfer fahren wir um Tonnen in einem Dreieckskurs. Unsere Windrange ist von 5 bis zu 30 Knoten. Ideal ist es also, wenn man fit und schwer ist. Bei 30 Knoten dem Auftrieb entgegenzuwirken, ist vor allem als Frau ganz schön anspruchsvoll.

Wo finden denn die Regatten statt? Sicherlich nicht in Paris, oder?

Nein, in Marseille. An der Marina Roucas Blanc.

Was bist du in 10 Jahren?

Ärztin. Ich liebe Windsurfen, das werde ich sicherlich weiter machen, aber als Beruf sehe ich mich in der Medizin. Manche werden nach einer Profikarriere Coach. Das interessiert mich nicht. Mein Drive ist das Nach-Vorne-Kommen und nicht, im Windsurfbusiness zu bleiben. Ich strebe eine lebenserfüllende Aufgabe an.

Na, dann hoffe ich, dass mit deinem Ehrgeiz alle deine Träume in Erfüllung gehen. Wie sehen die Träume denn genau aus?

Zuerst natürlich die Qualifikation für die Teilnahme 2024. Und für die Olympischen Spiele 2028 – Goldmedaille. Anschliessend will ich mein Medizinstudium abschliessen. Parallel dazu, will ich die Plattform der Word of Windsurfgirls weiter ausbauen.

Vielen Dank Elena für das spannende Gespräch. Willst du den Leser:innen noch etwas mit auf den Weg geben?

Glaubt an eure Träume und habt den Mut, euren Weg zu gehen.

Elena Sandera

Jahrgang         2002

Aus                  Schaffhausen

Karriere           Studentin, 2 Semester Medizin                    

                        3 Jahre Training iQFoil

www.elenasandera.com/

iQFoil

auf dem Markt seit                 2020

Olympische Klasse seit           2024

Länge                                      2,20 m

Breite                                      0,95

Volumen                                 196 l

Tiefgang Foil                          0,62 – 0,70 cm

Gewicht                                  11,25 kg

Segelfläche                             9 m2 für Männer / 8 m2 für Frauen

Share the Post:

Könnte Ihnen auch gefallen

#Free Paul Watson

Mit seinen langen silbernen Locken und dem wilden Bart ähnelt Paul Watson einem modernen Kapitän Ahab, dem fiktiven Walfänger in Herman Melvilles Roman Moby Dick.

mehr lesen ‭→