Easy und speedy

Kann man ein erfolgreiches Modell noch erfolgreicher machen? Ja, wenn man Jeanneau heisst. Der Verkaufsschlager Sun Odyssey 349 wurde 2013 lanciert und mehr als 1000 Exemplare wurden verkauft. Die Messlatte für die neue 350 liegt somit hoch. Was das Nachfolgemodell so drauf hat,

wollte Wave in Cannes herausfinden…

Es regnet. Auch an der Côte d’Azur herrscht nicht immer eitel Sonnenschein. Aber wir sind ja zum Segeln hier und da gibt es kein schlechtes Wetter – höchstens schlechte Kleidung. Was wir am Quai in Port Canto sehen, gefällt auf den ersten Blick. Schon erstaunlich, was die Sun Odyssey Linie in 10 Jahren an Entwicklung durchgemacht hat. Das Design passt sich dem Yachting-Megatrend «eckig, kantig, breit» an und sorgt nicht für grosse Überraschung. Auch die langgezogenen Fenster sind in und déjà vu. Dafür glänzt die Neue mit dem Stilelement Walkaround-Cockpit, das von Jeanneau vor sieben Jahren lanciert wurde. Das übergangslose Konzept funktioniert auch auf der Einsteiger-Jeanneau und ermöglicht die problemlose Bedienung der Cockpitwinschen vom Steuerstand aus.

Was auch ebenfalls zum gefälligen Erscheinungsbild beiträgt: Der Bugspriet über dem negativen Steven wurde designmässig integriert, bei vielen Yachten sieht das immer noch nach nachträglich angebautem Rüssel aus. Architekt Marc Lombard, dessen Studio bereits die 349er zeichnete, hat auf den ersten Blick alles richtig gemacht – mal sehen, ob auch die anderen Punkte erfüllt werden. Zusammen mit Piaton Yacht Design und der internen Designabteilung von Jeanneau war die Aufgabe nicht leicht, ein Nachfolgemodell mit den gleichen Erfolgschancen zu konzipieren. Gesucht war eine Yacht, die noch schneller, noch grösser und damit noch komfortabler sein sollte.

Dass man es gefühlt mit einer grösseren Yacht zu hat, wird schnell nach dem Auslaufen klar. Der Rumpf ist lediglich 15 Zentimeter breiter, aber das kann schon mal einen Unterschied ausmachen. Mit an Bord ist Jérôme Dufour, Chef de Produit bei Jeanneau. Er weist auf den steiferen und trotzdem leichteren Rumpf hin, der auf der polnischen Werft der Gruppe produziert wird.

Wir segeln die Performance-Version mit einem Kurzkiel. Der Regen lässt nach, das Squarehead-Gross geht hoch. Bei wenig Wind rollen wir den Gennaker aus und schon kommt Bewegung in die 350. Bei fünf Knoten Wind sind wir schon recht flott unterwegs. Die Steuerung ist direkt, die Wenden können auch bei wenig Wind scharf gefahren werden. Hier macht sich das spezielle Design des vorderen Rumpfbereichs bemerkbar, welches auch enge Hafenmanöver erlaubt.

Die Position für den Rudergänger ist stehend oder sitzend an beiden Steuerrädern gut, ohne Backstagen haben auch grosse Personen keine Berührungsprobleme mit dem Rigg hinter dem Kopf.

Nach dem Gennaker ist die Genua dran. Standardmässig wird ein überlappendes Vorsegel (110%) geliefert. Die Performancesegel auf der Testyacht sind unbedingt zu empfehlen, wenn man gerne schneller unterwegs ist oder auch mal an einer Regatta teilnimmt. Eine optionale Selbstwendefock zu ordern macht im eher windarmen Mittelmeer wenig Sinn.

Kundenumfragen bei 349-Eignern zeigten, dass diese durchwegs zufrieden mit den Segeleigenschaften waren. Doch mit dieser Performance-Garderobe, dem leistungsstarken und steifen Rumpf sowie der Kurzkiel-Option werden die bekannten Leistungsdaten locker übertroffen.

Dabei bleibt die Sun Odyssey was sie schon immer war: einfach im Handling, problemlos zu segeln. Dieses Kriterium ist besonders wichtig für den Grossteil der bestehenden und neuen Kunden: Familien, die es easy und bequem haben. Und natürlich sicher: das Cockpit ist geräumig und gut duch einen üppigen Sülrand geschützt. Dank Haltegriffen machen hier und auf dem Decksaufbau bewegt man sich bequem übers Schiff. Die grosse Badeplattform mag nicht der Schönheit letzter Schrei sein, dafür geizt sie nicht mit Platz und die solide Badeleiter macht das Anbordkommen nicht zur Zitterpartie.

Ein breiter, dreistufiger Niedergang führt bequem ins Innenschiff. Unter Deck fragt man sich erneut, wie gross diese Yacht wirklich ist. Natürlich haben die Designer jeden Zentimeter rausgekitzelt und mit ein paar optischen Tricks das Raumerlebnis verstärkt. Helle Holzverkleidungen, grosszügige Seiten- und Rooffenster für viel Tageslicht sowie die geöffnete Doppeltüre zur Eignerkabine im Bug lassen den Blick schweifen. Dank einer lichten Höhe von über 1,85 Metern erscheinen der Salon und die Kabinen äusserst grosszügig. Abends sorgt eine indirekte Beleuchtung für eine warme und behagliche Atmosphäre an Bord.

Auch die Achterkabinen profitieren von der Designformel, dass Yachten heute achterlich breit sind und breit bleiben.

Die Raumaufteilung ist eher klassisch, aber bis in den kleinsten Winkel optimiert. Da gibt es sogar Platz für ein offenes Flaschenfach – oder ist es ein Mini- Weinkeller? Die L-förmige Kombüse an Steuerbord zeigt sich äusserst funktionell und bietet zahlreiche clevere Staufächer. Im Salon auf der Backbordseite lockt ein Tagesbett. Wer möchte, kann dieses gegen einen Kartentisch eintauschen, die Instrumententafel befindet sich gleich daneben. Grundsätzlich wird die Sun Odyssey 350 in zwei Versionen angeboten, mit zwei Kabinen und «Werkstatt» (zugänglich vom Cockpit oder von der Dusche aus) oder mit drei Kabinen. Bei der Zweikabinenversion vergrössert sich das Bad, dann sind Badteil und Dusche getrennt. Die Steuerbordkabine bleibt in allen Konfigurationen identisch.

Die Einrichtung zeichnet sich durch ein modernes Innendesign aus, immer mit Blick auf besten Komfort. Das ganze Ambiente ist einladend und durchdacht gestaltet, geprägt von sanften, abgerundeten Kanten.

Die 350 wird von einem 29-PS-Yanmar- Diesel angetrieben. Jeanneau ist auch bei den kleineren Modellen zum Wellenantrieb zurückgekehrt. Für die Liebhaber des elektrischen Antriebs wird die 350 auch mit dem elektrischen Antrieb von Torqeedo und mit Lithium-Batterien erhältlich sein – dann allerdings nur für geschützte Gewässer zugelassen. Je nach Hauptverwendung kann der zukünftige Eigner zwischen drei Kielformen mit verschiedenem Tiefgang wählen: Standardkiel (Tiefgang 1,98 m), Kurzkiel (1,49 m) oder Schwenkkiel (1,26 m bis 5,4 m).

Was man auch immer wählen wird – die Sun Odyssey ist nie ein Fehlgriff. Für kurze Küstentörns wie für längere Trips geeignet, bekommt man zu einem fairen Preis ganz schön viel Schiff. Jeanneau weiss eben nach 65 Jahren Erfahrung ganz genau, was sie ihren Kunden schuldig ist.

Share the Post:

Könnte Ihnen auch gefallen

#Free Paul Watson

Mit seinen langen silbernen Locken und dem wilden Bart ähnelt Paul Watson einem modernen Kapitän Ahab, dem fiktiven Walfänger in Herman Melvilles Roman Moby Dick.

mehr lesen ‭→