Vor etwas mehr als 25 Jahren begann eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte. Allures Yachten als ganz besondere Blauwasseryachten wurden fast schon aus Versehen gegründet, daraus entwickelte sich schnell eine einzigartige Firmengruppe – rund um das Langfahrtsegeln mit modernen und höchst komfortablen Yachten.
Die moderne Marina Port Chantereyne in Cherbourg ist strategisch so gut gelegen, dass eigentlich fast jede Yacht auf dem Weg aus der Nordsee durch den Englischen Kanal nach Westen, sowie natürlich umgekehrt, oder auch von England aus nach Süden über den Kanal, hier einläuft. Allerdings hatten wir, nach einer 24-Stunden Passage von Boulogne- sur-Mer aus, die richtige Tide vor Cher-bourg knapp verpasst. Nur zehn Seemeilen vor der Einfahrt rauschte uns das Wasser mit Macht entgegen, in riesigen Whirlpools schäumend, so dass wir vier Stunden auf der Stelle motorten, ohne auch nur einen Meter voran zu kommen. Denn ausgerechnet jetzt war auch noch Springtide.
Aber irgendwann kentert auch die stärkste Gezeit und schliesslich konnten wir doch noch einlaufen. Die Hafenanlagen von Cherbourg sind riesig, neben ausgedehnten Häfen gehört dazu vor allem auch
die zweitgrösste Reede der Welt. Sie ist durch einen kilometerlangen, künstli-chen Damm geschützt. Die Bauarbeiten dazu begannen im Jahr 1783, kamen aber immer wieder zum Erliegen, bis Napoleon 1802 anordnete, den Bau der Anlagen wieder aufzunehmen. Der Hafen und die Reede waren in den Kriegen mit England von grosser militärischer Bedeutung, ausserdem wurde Cherbourg auch zu einem sicheren Hafen für Freibeuter. Wirklich abgeschlossen wurden die Arbeiten an den Befestigungen der Reede erst im Jahre 1922. Heute ist der Hafen von Cherbourg eine bedeutende Marinebasis, sowie ein grosser Fischerei- und Fähr-hafen. Auch der riesige Yachthafen, mit allen für Yachten und deren Crews nötigen Einrichtungen, spielt für die Stadt eine wichtige Rolle. Sicher auch durch diesen Hafen bedingt, ist Cherbourg ein führendes indust-rielles Zentrum im Norden Frankreichs, mit Spezialbetrieben in den Bereichen Energie, Windkraft und Schiffbau. So ist es nicht besonders überraschend, hier eine kleine aber sehr feine und bedeuten-de Yachtwerft zu finden. Sie ist eine von mehreren Standorten der „Grand Large Groupe“, hier in Cherbourg werden die Langfahrt-yachten der Marken Allures und Garcia ausgebaut und ausgeliefert.
Als wir auf unserer Reise von Flensburg aus in die Bretagne hier einliefen, war der Besuch dieser Werft ein ganz besonderes Erlebnis. Wir konnten mehrere Allures und Garcia Yachten in unterschiedlichen Stadien des Ausbaus sehen, sowie eine Allures 51.9 im Wasser, während der Test-phase unmittelbar vor der Auslieferung an den Kunden. Dazu erklärte uns Jérôme Guillou, Marketing- und Kommunikationsmanager von Allures und Garcia, alles über diese Yachten, deren Entste-hung und die Geschichte der Grand Large Gruppe, zu der beide gehören.
Die Geschichte begann, als die beiden Studienfreunde und Ingenieure Stephan Constance und Xavier Desmarest eigent-lich nur eine geeignete Blauwasseryacht für ihr geplantes Sabbatical suchten. Natürlich hatten sie genaue Vorstellungen und wandten sich an einen damals grossen Hersteller von Aluminiumyachten mit variablem Tiefgang. Allerdings, die Werft-leitung nahm die zwei Studenten nicht so wirklich ernst. Erstaunt, aber keinesfalls verbittert änderten die beiden ihre Pläne und beschlossen, ihre Traumyacht eben selber zu bauen.
So konzipierten sie die allererste Allures-Yacht, eben ihre eigene Traumyacht zum Blauwassersegeln, entstanden aus ihren ganz eigenen Ideen zum Thema. Ge-mein-sam mit dem Yachtkonstrukteur Oli-vier Racoupeau (Berret-Racoupeau Yacht Design) definierten sie das Konzept einer Langfahrtyacht komplett neu. Ein Alumi-niumrupf für Robustheit und Sicherheit, ein Integralkiel für variablen Tiefgang und die Möglichkeit des Trockenfallens, kom-biniert mit einem Kunststoffdeck für eine elegantere Optik. Olivier Racoupeau war so überzeugt von dem neuen Boot, dass er den beiden empfahl, es in Serien zu bauen. Und das war, 2003, die Geburtsstunde von Allures Yachts und der daraus folgenden Grand Large Group mit heute insgesamt sechs Marken: Allures Yachting, Outremer und Gunboat Katamarane, Garcia Yachts, RM Yachts und seit 2023 auch ORC Kata-marane. Hinzu kommen zwei Dienstleis-tungsfirmen und seit erst zwei Monaten eine weitere kleine, auf hochwertigen Aluminumbau spezialisierte Werft bei Caen in der Normandie.
Der Bau von Aluminiumyachten ist tech-nisch aufwändig und erfordert neben der entsprechenden Expertise vor allem viel Zeit und Raum. Heute werden die Rümpfe für Allures und Garcia Yachten aus hoch-wertigem Aluminium an verschiedenen Standorten der Gruppe hergestellt. Von Beginn an war es die Suche nach weiteren, geeigneten Betrieben für den Bau der Alurümpfe, der die rasche Expansion mit vorangetrieben hat.
Zum Beispiel durch den Ankauf von Garcia. Einst von zwei portugiesischen Brüdern in der Normandie als Alumi-niumbetrieb zur Herstellung landwirt-schaftlicher Gerätschaften gegründet, hatte man sich dort in den 1980er Jahren auf den Bau hochwertiger Einzelyachten spezialisiert. 2010 kauften die beiden Allures-Gründer den Betrieb, weil sie dringend weitere Kapazitäten für den Bau ihrer Allures Yachten benötigten. Erst danach überlegten sie, was sie eigentlich aus der Marke Garcia machen sollten. Und zwar gemeinsam mit Jimmy Cornell, der auf die beiden aufmerksam geworden war und eine ganz spezielle Aluminiumyacht zum Durchsegeln der Nordwestpassage suchte. Aus den gemeinsam mit Jimmy entwickelten Ideen entstand die erste Garcia Exploration Yacht – der Beginn einer unverwechselbaren, einmaligen Art von Langfahrtyachten und einer weiteren Erfolgsgeschichte. Aber nicht nur Jimmy Cornell lieferte wertvollen Input, es sind auch einige andere berühmte Segler, die sich für Allures, Garcia und Outremer engagieren. Darunter Pete Goss, Loïck Peyron oder auch Roland Jourdain. Vor allem aber sind es auch alle anderen Eigner von den unterschiedlichen Yachten der Grand Large Gruppe, die immer wieder ihre Erfahrungen und Wünsche einbringen.
Heute produziert die Gruppe an insge-samt acht Standorten in Nord-, West- und Südfrankreich. Mit 1000 Mitarbeitern wurden 2023 über 1500 Boote gebaut und ein Umsatz von 124 Millionen Euro erzielt. Und die Aktivitäten beschränken sich nicht mehr nur noch auf den Yachtbau. Auch Servicedienstleistungen zählen dazu. So unterhält die Gruppe fast von Anbeginn ein umfangreiches Programm, um mit den Kunden im Gespräch zu bleiben. Das Angebot reicht von Semina-ren und Kursen zu allen Themen rund um die Planung
und Durchführung von langen Segelreisen oder der Weltumsegelung bis hin zu organisierten Rallys. In Lorient bietet die zur Gruppe gehörende Firma IFT ein technisches Training für Segelnde an, wie man sein Schiff unterhält und wartet und repariert. Das Angebot ist offen für alle, aber als Grand Large Kunde ist man automatisch dabei.
Andere Seminare werden in einem angenehmen Rahmen gestaltet, etwa drei Tage lang auf einer kleinen Insel bei Cherbourg, wo Kunden von Allures und Garcia zur Vorbereitung auf ihr persönliches Langtörn-Projekt mit Experten über Törnplanung, Technik, Meteorologie und viele andere Themen diskutieren. Wobei natürlich auch gleich Freundschaften entstehen. Die erste Rally der Gruppe startete vor drei Jahren von Sevilla aus um die Welt, mit Yachten von Allures, Garcia, Outre-mer und einer RM. Es gab eine tropische Route und eine südliche um Kap Horn, die hat nur die Crew einer einzigen Yacht gewählt – der RM! In der Vorbereitung ist auch eine einjährige europäische Rally mit sehr reizvoller Route, die über die Atlantischen Inseln nach Nordeuropa führt. Die Rally rund um die Welt wurde vor einem Monat in den Azoren beendet. Dort haben Mitarbeiter von Grand Large mit den Teilnehmenden intensiv über deren Erfahrungen, Ideen und Vorschläge gesprochen. Die nächste Rally dieser Art startet Ende 2025.
Mit der Bündelung ausgeprägt spezieller Yachtmarken zum Blauwassersegeln und dem ergänzenden Serviceangebot dürfte die Grand Large Group einzigartig sein. Und der bisherige Erfolgt bestätigt dies. Die Gruppe ist zwar schnell gewachsen, steht aber sehr solide da. Die Nachfrage nach den hier angebotenen Yachten ist ungebrochen gross. Das bestätigt das Konzept der Boote, bringt aber leider auch einen Nachteil für potentielle Neukunden mit sich: Teils erhebliche Lieferzeiten. Aber wie gesagt, der Bau einer Alumini-umyacht erfordert eben seine Zeit. Dann allerdings hat man eine Yacht fürs Leben. Und sollte man sich aufgrund veränderter Umstände doch von seinem Schiff trennen wollen – der Gebrauchtbootmarkt vor allem für Allures und Garcia Yachten ist so gut wie nicht existent. Denn wenn so eine Yacht angeboten wird, ist sie mit Sicherheit in kürzester Zeit und ohne nennenswerten Wertverlust sofort wieder verkauft…
Le Grand Bleu! Wenn der Horizont das Ziel ist – dann sind das die Yachten dafür…
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