
Der Limfjord im Norden Jütlands ist ein ganz eigenes Segelrevier der etwas anderen Art. Liveabord, Geniesser und Buchautor Detlef Jens ist für WAVE dorthin gesegelt.
Es weht, wie so oft hier, mit guten sechs Windstärken aus West, in Böen auch schon mal deutlich mehr. Die breiteste Stelle des Limfjords, Livø Bredning, strahlt tiefdunkelblau bis grünlich unter der hellen Sonne, durchsetzt mit rasch wandernden, weissen Schaumkronen. Hier baut sich schnell eine fiese, kurze See auf, aber in Lee hinter der kleinen Insel Livø ist es schlagartig ruhig, das Wasser spiegelglatt.
Als wir hier anlegen, haben die Sommerferien in Deutschland und Dänemark noch nicht begonnen, ausser uns liegt hier nur noch ein weiteres Boot. Bald darauf kommt die Fähre, die Anzahl der Menschen auf der Insel ändert sich dadurch nicht: Zwei Wanderer mit Zelten steigen aus, ein älteres Paar entert die Fähre, um zum Festland zu schippern. Ein paar Kisten werden noch auf die Pier geschoben, die später von einem Jüngling mit Traktor abgeholt werden, dann ist die Fähre auch schon wieder weg. Nein, wir können es uns wirklich kaum vorstellen, dass es hier jemals voll werden kann.
«Aber doch!», sagt der bärtige Mann im winzigen Inselladen, «bald haben wir hier eine Hochzeitsgesellschaft mit 120 Gästen!» Wir bezahlen unser Liegegeld bei ihm und entdecken im Kühlschrank einen Schatz, nämlich ein paar Flaschen Pinot Blanc aus dem Elsass. Der Bärtige ist in Erzähllaune, aber vermutlich sind wir ja auch die einzigen Kunden an diesem Tag, und er ist ein guter Verkäufer. Gratuliert uns zum erstklassigen Wein und schwärmt gleich wieder davon, wie sie die Insel dekorieren wollen für die Hochzeit, mit bunten Lampions und einer Feuerstelle für die gemütlichen Abende und eben allem, was dazu gehört. Immerhin 200 Betten haben sie hier auf dieser Insel, im ehemaligen Krankenhaus. Etwas gruselig ist das schon, das Krankenhaus war eher so eine Art rustikale Irrenanstalt, da denke ich doch lieber an die Geschichte der Maler, die hier 1971 eine sich selbst versorgende Künstlerkolonie aufbauen wollten, aber leider an ihren Misserfolgen in der Landwirtschaft gescheitert sind.
Abgesehen vom Wein und viel Bier der Marke «Livøl», welches hier auf der Insel selbst gebraut wird, gibt es im Laden kaum etwas zu kaufen. Auch das mag während der Sommerferienzeit anders sein, aber wir haben es auch in anderen kleinen Fischerhäfen hier bemerkt: Man segelt besser gut bevorratet im Limfjord umher, jedenfalls dann, wenn man die wenigen grösseren Orte meiden und sich in den vielen zauberhaften und versteckten Ecken dieses im westlichen Teil weit verzweigten Gewässers verlieren will.
Welch ein Kontrast ist dieser westliche Teil des Limfjords zu Ålborg, wo unser Limfjord-Törn nach einer kleinen Unterbrechung wieder begonnen hatte. Die viertgrösste Stadt Dänemarks liegt am östlichen, schmalen und eher langweiligen Teil dieses Fjordes, der ja eigentlich gar keiner ist, weil von beiden Enden aus befahrbar und einmal quer durch das nördliche Jütland führend, das Land «Thy» im Norden, an der Jammerbucht, damit quasi zur Insel macht. Die Ansteuerung von Osten, von der Ostsee aus, ist schon speziell – weit draussen in der
Ålborg Bucht steht der Leuchtturm Svitringen Rende Süd, den man ansteuert lange, bevor man das flache Land dahinter sieht. Von hier aus segelt man noch ewig weiter in einer immer schmaler werdenden Rinne bis der Fjord bei Hals, welch treffender Name, beginnt.
Ålborg selbst ist eine lebendige Stadt, die sich auch für einen Crewwechsel anbietet oder um, wie in unserem Falle, das Boot eine Zeit liegen zu lassen während man vorübergehend nach Hause muss, denn sie ist verkehrsgünstig ausgestattet mit einem Bahnhof und Flughafen. Überhaupt ist der Limfjord nicht so weit weg von allem, aber dann irgendwie doch ziemlich abseits und entrückt – während sich die Yachten zu Ferienzeiten in den Häfen von Anholt oder Læsø quasi stapeln, segelt in den Limfjord kaum einer hinein. Warum nur? Aber mir soll es recht sein, also bitte nicht weitersagen!
Da ich ja keinen Alkohol, sondern nur Wein trinke, lässt mich Ålborgs Exportartikel Nummer Eins, der weltberühmte Aquavit, eher kalt. Ebenso, wie auch die «Schnapsroute», die einmal um den Limfjord führt, von einer Destille zum nächsten gemütlichen Gasthof, wo man dann übernachten, Speisen und vor allem den jeweils lokalen Schnaps des Ortes in allen möglichen Varianten probieren kann.
Uns zog es in Ålborg eher zur Street Food Halle, direkt am Yachthafen Skudehavn gelegen, einem urigen und kommunalen Yachthafen, wo man auch an der landseitigen Pier längsseits festmachen kann, direkt vor besagter Halle. Ein kleines Stück weiter westlich ist der gepflegte, aber dadurch auch irgendwie langweilige, grosse Yachthafen Fjordparken, der noch dazu ein gutes Stück ausserhalb der Stadt liegt.
Brunch oder Lunch oder beides?
Eine echte Attraktion für alle, die sich für Design und Architektur interessieren, ist das Utzon Center. Das liegt auch direkt am Wasser, jedoch östlich der zwei Klappbrücken und eher in Taxi-Entfernung vom Skudehavn. Das Center bietet wechselnde Designausstellungen und zeigt auch das Werk von Jørn Utzon, dem Architeten und Segler aus Ålborg, der neben vielem Anderem auch das weltberühmte Opernhaus in Sydney entworfen hat. Sein Vater Aage Utzon war als Yachtdesigner berühmt, er zeichnete die typischen dänischen Spitzgatter, von dem ebenfalls ein Exemplar im Utzon Center ausgestellt ist. Das Center ist so angelegt, dass es für die ganze Familie spannend ist, die Architektur wird hier den Kindern ebenso nahegebracht, wie Erwachsenen. Neben den Ausstellungen werden hier auch Workshops, Vorträge und viele weitere Events veranstaltet. Vor allem aber ist das Restaurant Jørn hier einen Besuch wert, es ist eines der besten der Stadt, hat allerdings nur tagsüber geöffnet – für einen köstlichen Brunch oder einen ebensolchen Lunch.


New Nordic
Etwa 25 Seemeilen weiter nach Westen, und man kommt an die kleine, alte Klappbrücke von Aggersund. Sofern man den ja leider meist üblichen Westwind hat, wird man diese Strecke grösstenteils motoren müssen, denn das Fahrwasser ist stellenweise schmal und gleich ausserhalb schnell flach. Aber dann, hinter der Brücke, öffnet sich der Fjord in all seiner Pracht und Breite – doch Vorsicht, vor Løgstør erstreckt sich ein ausgedehntes Flach, welches erst seit 1913 durch ein betonntes Fahrwasser befahrbar ist. Zuvor führte ein gut vier Kilometer langer Kanal parallel zur Küste an den Untiefen vorbei, der «Frederik den VII’s Kanal» wurde 1861 eröffnet, 1913 dann aber wieder geschlossen. Am alten Kanal liegt heute ein kleines Museum über die maritime Kulturgeschichte des Limfjords, zu dem auch einige alte, offene Fischerboote gehören, die instandgesetzt wurden und gesegelt oder gerudert werden können.
Auch hier kommt zur Kultur noch die Kulinarik hinzu. Das Restaurant «Kanalfogedens Køkken», die Küche des Kanalvogts, ist etwas Besonderes, aber auch typisch für den Limfjord. Denn der ist unter Gourmets längst schon kein Geheimtipp mehr für köstliche Muscheln und Austern, die in diesen kühlen und klaren Gewässern ausgezeichnet gedeihen und denn auch hier, im Museumsrestaurant, mittags und abends auf unterschiedlichste Arten serviert werden. Zur Ferienzeit ist eine Tischreservierung allerdings dringend zu empfehlen (siehe gelber Infokasten S. 80).
Neben den Meeresköstlichkeiten bietet auch die lokale Landwirtschaft beste und hochwertige Zutaten für eine anspruchsvolle, moderne Küche nach den Idealen von «New Nordic». Also nicht nur Sterne-verdächtig, sondern auch nachhaltig und aus lokalen Zutaten. Und so hat es sogar schon Sterneköche aus Kopenhagen zurück in die alte Heimat gezogen. Das Restaurant «Limfjordens Hus» in Glyngøre befindet sich in einem auffälligen Gebäude mit zwei weissen Schornsteinen direkt am Hafen. Wer schon eine Weile am Lim-fjord war, weiss bei diesem Anblick: Hier wird Fisch geräuchert. Das dazugehörige Restaurant will dabei nichts weniger sein, als das Beste der Region. So hoch ist jedenfalls der Anspruch von Inhaber und Chef Rasmus O. Kardyb, der rund zehn Jahre lang in verschiedenen Sternerestaurants in Kopenhagen tätig war, bevor er nach Hause kam um seine ganz persönliche Vision eines Gourmetrestaurants zu verwirklichen. Als Schaufenster für die hervorragenden, regionalen Produkte. Und von Zeit zu Zeit werden auch Themenabende, beispielsweise Tapas, angeboten –auch diese dann mit dem «Limfjord-Touch». Und zusätzlich zum Restaurant gibt es die erwähnte Räucherei und einen kleinen Fischladen, auch die teils wirklich exzellenten Weine von der Karte kann man zum Mitnehmen kaufen.
Direkt am Wasser und einem kleinen Bootshafen am Ende einer Bucht zwischen der Insel Jegindø und dem Nordjütischen Festland liegt der von aussen eher un- scheinbare «Tambohus Kro». Doch so bescheiden der Tambohus Kro von aussen wirkt, so «hyggelig» ist er in seinem Inneren: Total gemütlich auf diese unnachahmlich dänische Art, in einer gelungenen Mischung aus Tradition und Modern. Und er ist «Kongelig priveligeret», was bedeutet, dass der Gasthof eine gewisse Historie besitzen muss. Die dänischen Könige und Königinnen verliehen einigen Kros noch bis in das 20. Jahrhundert hinein besondere Privilegien, unter anderem die Erlaubnis, Branntwein zu destillieren. Was diesen Kro noch auszeichnet, ist seine Küche. Geniesser kommen durchaus auch von weit her, um sich hier verwöhnen zu lassen, über Land reisen sie an ebenso wie über Wasser – allerdings hat der Hafen nur gut 1,5 Meter Wassertiefe, grössere Yachten können in der geschützten Bucht vor dem Kro gut ankern.
Mir selbst wurde von einer ausgezeichneten dänischen Köchin, die einige Jahre lang ihr eigenes Restaurant in Südfrankreich betrieben hat, das «Agger Darling» in dem kleinen Ort Agger am Nordende der Nissum Bredning eindringlich empfohlen. Allerdings, mein Rendezvous mit «Agger Darling» musste, wetterbedingt, leider ausfallen: Nach Agger, das nördlich von Thyborøn an der Landzunge zwischen Nordsee und Limfjord liegt, führt eine lange, schmale und nicht sehr tiefe, dazu noch zur Versandung neigende Fahrrinne. Bei starkem Westwind war mir dies mit knapp zwei Metern Tiefgang nicht mehr ganz geheuer und so verpassten wir ein weiteres, sehr gutes Restaurant an einem interessanten Hafen. Hier die flache Bucht vom Limfjord, dann ein paar Dünen, dann die Nordsee. Das Dorf Agger ist damit auch schon – fast – Surferland, für Kenner beginnt das jedoch erst ein paar Meilen den Strand weiter nach Norden: Cold Hawaii. Aber wir Segler begeben uns ja ohnehin nicht gerne in die Brandung…
Zum Glück hat der Limfjord ja noch viele gute Alternativen, so dass uns das verpasste Date mit „«Agger Darling» nicht zu sehr schmerzte. Also zurück in den geschützteren Teil des Limfjords, hinter die Klappbrücke bei Oddesund, wo sich ein kleiner Hafen in schöner Umgebung befindet. Von hier sind es nur drei Seemeilen in den Tambosund, oder, auf der Ostseite der Insel Jegindø, in den kleinen und idyllischen Hafen dort. Von hier weiter nach Norden in das wunderschöne, gewundene Fahrwasser westlich von Morsø, erreicht man Doverodde. Eine zauberhafte Bucht mit einem Anleger mit etwas über zwei Meter Wassertiefe am Kopf. An Land befindet sich im «Doverodde Købmandsgård» das Limfjordzentrum mit wechselnden Ausstellungen, Café und einem Turm, von dem aus man einen gewissen Weitblick geniessen kann.


Weiter nach Norden gelangt man durch den Vilsund und einer weiteren Klappbrücke nach Thisted, einer Kleinstadt mit Flair und grossem Hafen. Segelt man hingegen von Doverodde nach Süden und Osten, kommt man in den Sallingsund südlich von Morsø. Der alte Fischerhafen Sillerslev bietet vor allem einen sehr schönen Sandstrand gleich am Hafen und Möglichkeiten für ausgedehnte Spaziergänge am Wasser. Und sozusagen schräg gegenüber, am Südufer des Sallingsund, liegt der kreisrunde Naturhafen Harre Vig, als landseitige Fortsetzung der Lysen Bredning. Diese Bucht ist, wie überhaupt eigentlich das gesamte Revier, nur tagsüber zu befahren und das unter sorgfältigem Loten, denn die Durchfahrt in die innere Bucht ist schmal und an den Seiten flach – doch dann öffnet sich die Bucht, die gute fünf Meter Wassertiefe hat, also ideal zum Ankern.
Nykøbing auf der Insel Morsø ist quasi die Hauptstadt des Limfjords, für Seefahrer auch strategisch günstig gelegen am Rande des Sallingsund, den man ja entlang segelt, wenn man nur die Passage durch den Limfjord von der Ost- zur Nordsee oder umgekehrt nutzt. Der Ort hat einen grossen Yachthafen, gute Einkaufsmöglichkeiten und präsentiert sich überhaupt als freundliche dänische Kleinstadt.
T: Detlef Jens
F: Detlef Jens/Adobe Stock
