Don Aronow, Powerboat-Rennchampion und Gründer von Formula, Donzi, Magnum und Cigarette, liess nie etwas anbrennen. Schneller, aufregender, glänzender – sein Leben war so erfolgreich wie seine Boote. Nichts konnte ihn stoppen. Bis zu jenem Tag im Februar 1987…
Als Sinnbild des amerikanischen Traums und einer besonders attraktiven Art von typisch amerikanischem Macho-Style war Aronow ein Draufgänger, ein echter Marlboro-Mann und ein furchtloser Rennfahrer. Er war sowohl auf dem Wasser als auch an Land immer im Powermodus, sah brutal gut aus und verstand es, die Grenze zwischen Legalität und Illegalität zu verschmelzen. Er war ein skrupelloser Geschäftsmann und liebte auch im Privatleben die Herausforderung: “Er würde deine Frau in einer Sekunde vögeln”, sagte Allan “Brownie” Brown, Autor von «Tales from Thunderboat Row». Der berühmte Yachtdesigner Michael Peters, der bis zu Aronows Tod bei ihm arbeitete, sagte: “Er war ein Arschloch, aber er war mein Arschloch – ein Wohltäter, für den ich immer dankbar sein werde.”
Donald Joel Aronow umgab immer etwas Geheimnisvolles. Er wurde 1927 als Sohn eines wohlhabenden Taxibesitzers geboren, dessen Familie aus Russland eingewandert war und durch die Weltwirtschaftskrise Bankrott ging. Dons Herkunftsgeschichte schwankt, je nachdem, wer sie erzählt. Am Brooklyn College galt er als Sportskanone, ein wahrer Champion in Football, im Wrestling und auf der Rennnbahn. Im Sommer arbeitete er als Chief Lifeguard auf Conny Island und wurde wegen seinem Body sogar zu Probeaufnahmen für einen Tarzanfilm eingeladen. Der Strand-Tarzan angelt sich logischerweise das «prettiest girl on the beach» Shirly Goldin und schon bald wird geheiratet. Goldin’s Familie ist im Baubusiness tätig und es dauert nicht lange, bis auch Aronow beim Bauboom mitmischt. Natürlich wird seine Firma in sieben Jahren zum erfolgreichsten Unternehmen
der Branche. Dafür ackert Aronow wie besessen, für die Familie mit drei Kindern bleibt wenig Zeit. Er zahlt den Preis für den Erfolg: Burn-out. Im August 1961 siedelt Aronow mit der Familie nach Miami Beach um. Der 34-jährige will sich erholen, sein Konto ist dank den Immobilienverkäufen erfreulich voll. Böse Zungen sagen, er sei vor der Mafia geflohen. Zur Erholung legt er sich ein 40-Fuss Motorboot zu und geht angeln.
Weil er viel in der Werft herumhängt, bekommt er auch die heissesten News mit: das Miami-Nassau Bootsrennen lockt die besten Rennfahrer seiner Zeit an. Aronow spürt das Kribbeln, sich auf dem Wasser mit den Schnellsten zu messen. Er lässt sich ein 28-Fuss-Rennboot bauen, mit zwei Custom-Chevy-Motoren. Getauft auf den Namen seiner Tochter legt «Claudia» einen überzeugenden Start hin. 10 Meilen vor dem Ziel ist Claudia klar in Führung, als es einen der Motoren verbläst. Aronow kommt nur als Achter ins Ziel, aber der Adrenalin-Kick gibt ihm ein neues Lebensziel: er will die schnellsten Boote bauen und der beste Pilot werden.
AUFBAUEN UND VERKAUFEN
Dick Bertram war der Mann, den es zu schlagen galt, sowohl in Bezug auf das Bootsdesign als auch auf die Rennen selbst. Aronow machte es Bertram nach und arbeitete mit den besten Designern in der NE 188th Street zusammen, um Deep-V-Fiberglas-Formel-Boote zu konzipieren, insbesondere die sieben Meter lange Formula 233. Um die Entwicklung zu finanzieren, verkaufte er zivile Versionen mit Teakdecks und Schlafkabinen. Aus der Erfahrung von Bertram wusste er, dass er sein Unternehmen nur dann fördern und aufbauen kann, wenn er Rennen gewann. Kaum hatte er die ersten Siege eingefahren, verkaufte er Formula Marine an Thunderbird Boats. “Mit dem Bau von Booten wird man nie viel Geld verdienen”, wird er zitiert. “Man kann damit seinen Lebensunterhalt verdienen. Richtig Geld schafft man erst, wenn man die Firma verkauft.”
Als Nächstes gründete er das nach ihm benannte Unternehmen Donzi, wieder in der NE 188th Street. Zu dieser Zeit war sie noch ein mit Unkraut bewachsener Sandstreifen mit niedrigen Gebäuden. Später wurde sie dann als Thunderboat Row, Performance Street oder Gasoline Alley bekannt. Donzi machte sich einen Namen mit der 8,5 Meter langen 007, benannt nach den aufkommenden Bondfilmen. Mit der 007 schlägt er 1965 Bertram beim Miami-Nassau -Rennen. Wieder verkauft er die Firma und gründet gleich eine neue: Magnum Marine. Mit seiner 8,2 Meter langen Maltese Magnum fährt er Rennen auf der ganzen Welt.
Diese Rennen waren voller tollkühner Geschichten: Motorbrände und -explosionen, Crewmitglieder, die ins Krankenhaus geflogen oder blutend inmitten kreisender Haie zurückgelassen werden. Dazu Kollisionen bei Topspeed direkt unter dem Pressehubschrauber. Das zieht. Die Zuschauerzahlen steigen, Aronow gewinnt 1967 die Powerboat-Weltmeisterschaft, die er später noch einmal und dreimal die US-Meisterschaft gewinnen sollte. 1968 verkauft er auch Magnum.
Kaum vierzig Jahre alt, war Aronow nun ein berühmter, gefeierter und wohlhabender Mann. Es war die Zeit der sexuellen Revolution, und seine Beliebtheit bei den Frauen war fast so legendär wie seine Bootserfolge. Katrin Theodoli und ihr Ehemann wurden die Eigentümer von Magnum. “Ich habe einige extrem charismatische Männer kennengelernt, darunter Sean Connery und Roger Moore”, sagt sie. “Don Aronow hingegen war forscher, durchsetzungsfähiger – ein entschlossener Mann. Er vermittelte den Eindruck, dass er sich alles nehmen kann, was er will.”
Wie andere, die eine Bootsfirma von Aronow kauften, hatten auch die Theodolis Grund, vorsichtig zu sein. Es zeichnete sich ein typisches Aronow-Muster ab: Don verkauft sein Unternehmen und versucht es dann in den Schatten zu stellen. Er baut in der Thunderboat Row gleich neben seinem früheren Unternehmen ein grösseres Gebäude, das seine Konkurrenten überragt.
DER HÖHEPUNKT
Sein nächstes Projekt gilt als sein Meisterwerk: die langen, schlanken
Cigarette-Boote, benannt nach einem Bootstyp, mit dem Rumschmuggler während der Prohibition unterwegs waren. Don perfektioniert Dinge, die bereits erfunden waren: Rumpfformen, Konstruktionstechniken und Motorenkonfigurationen. Und verpasste dem Ganzen noch einen tüchtigen Schuss Sexappeal. 1977 stellte Cigarette die “super sexy new 35 Mistress” (wie es in der Werbung hiess) vor.
Mit der sexuellen Revolution wuchs auch der Drogenhandel. Die Zeit des “sanften” Marihuana-Geschäfts ist vorbei, immer härtere Drogen kommen auf den Markt. Ein gewisser Ben Kramer, der aus einem scheinbar guten Elternhaus am Intracoastal Waterway zwischen Miami und Fort Lauderdale stammt, begann in der Schule zu kiffen und zu verkaufen. Schon bald hatte er sein eigenes gelbes Cigarette-Boot, mit dem er schmuggelte. Er bewundert Aronow, erwirbt eine Ecke der Thunder Row und beteiligte sich an Apache Marine, mit deren Boote er selbst Offshore-Rennen fuhr. Sein legendärer «Warpath», der auf einer tiefen V-Cigaretteform basierte, brachte ihm sogar eine Weltmeisterschaft ein. Zusammen mit seinem Vater gründete Kramer die Fort Apache Marina in der Thunderboat Row, die ein Bootslager, ein Restaurant am Wasser und eine Terrassenbar umfasst. Gerüchte über Fort Apache kursierten, dass sich nachts bei Ebbe getarnte
Metalltüren zu grossen Lagerräumen öffnen.
Was auch immer an diesen Gerüchten dran sein mag, die Art und Weise, wie sich das Drogengeschäft in Südflorida vom Marihuana- zum Kokainschmuggel entwickelte, würde locker fünf Staffeln Miami Vice füllen. In den Offshore-Rennsaisons entpuppte sich ein Grossteil der Teilnehmer als Drogenhändler. Nicht nur die Rennleiter befanden sich in einer verzwickten Lage. “Tagsüber werden wir gebeten, während der Veranstaltungen auf der Rennstrecke zu patrouillieren, um Notfälle zu retten”, sagte ein Beamter der Küstenwache dem South Florida Sun-
Sentinel. “Aber nachts jagen wir viele der gleichen Leute wegen Schmuggels”.
SPEED, ADRENALINE & COCAINE
Die Ereignisse nahmen eine surreale Wendung, als Carlos Lehder, der König des Medellín-Kartells, begann, Norman’s Cay, eine Insel auf den Bahamas etwa 330 Kilometer vor der Küste Floridas, für sein Kokaintransportimperium aufzukaufen. Im November 1981 verkündete das Time Magazine auf der Titelseite, dass “eine Epidemie von Gewaltverbrechen, eine Plage illegaler Drogen und eine Flutwelle von Flüchtlingen mit der zerstörerischen Kraft eines Hurrikans über Südflorida hereingebrochen sind”. Miami hatte mit 70 Morden pro 100 000 Einwohnern die höchste Mordrate des Landes. Schätzungsweise 70 Prozent aller Marihuana- und Kokaineinfuhren in die USA wurden über Südflorida abgewickelt – der Drogenschmuggel war der grösste Wirtschaftszweig der Region.
Das Drogengeld korrumpierte das Bankwesen, den Immobiliensektor und die Strafverfolgung. “In Miami entstehen neue Hotels und Bürotürme, und in den ehemals verschlafenen Städten der Umgebung wachsen eigene Skylines”, schrieb die Time. Unter diesen Umständen wäre es ungewöhnlich gewesen, wenn das Drogengeld nicht auch seinen Weg in die Thunderboat Row und ihre Schnellboote gefunden hätte.
In diese brisante Mischung geriet Vizepräsident George HW Bush – damals der Stellvertreter von Präsident Reagan im “Krieg gegen die Drogen” des Weissen Hauses. Bush war seit langem ein Bewunderer von Aronows schnittigen Rennbooten und war auch von dem Mann selbst fasziniert. Er hatte eine Formula und eine Cigarette von ihm gekauft und beschrieb Aronow als “eine Freude, in seiner Nähe zu sein”. Auch als Direktor der CIA hatte er mit Aronow zu tun und erinnerte sich daran, wie “Don kam und anbot, unserem Land zu helfen”. Auf Veranlassung von Bush unternahm die US-Zollbehörde 1985 den verhängnisvollen Schritt, Aronows USA Racing Team einen Auftrag über 1,7 Millionen Dollar für schnelle Chaseboote zu erteilen. Da Aronow immer noch einem Wettbewerbsverbot für Cigarette unterlag – die er 1982 zurückgekauft und dann wieder verkauft hatte – war es ihm untersagt, Deep-V-Einrümpfer herzustellen. Also gab er einen Entwurf in Auftrag, der ein V in zwei Teile teilte – der «Blue Thunder» Katamaran war geboren.
Angesichts dieses wenig verheissungsvollen Start ins Leben schlugen sich die sieben Tonnen schweren und 11,9 Meter langen Powerkats ganz gut. Sie waren schnell, perfekt für Abfangaktionen geeignet (stabil beim Entern abgefangener Boote) und vergleichsweise einfach zu fahren. Allerdings mit ihren 112 km/h nicht schnell genug für die Jagd nach bösen Jungs. Deren Deep-V-Monohulls erreichten damals schon 160 km/h.
Ausserdem blieben die Fahrer der Küstenwache im Kielwasser der Kokain-
schmuggler zurück, die aus ihrer Rennerfahrung einfach mehr Fahrpraxis bei hohen Geschwindigkeiten hatten.
Problematischer war, dass Aronow gerade das USA Racing Team mitsamt dem Blue Thunder-Vertrag an Ben Kramer verkaufen wollte, der aber inzwischen wegen Drogenschmuggels verurteilt worden war. Es dauerte nicht lange, bis die US-Zollbehörde davon erfuhr. Sie konnte nicht zulassen, dass Boote zur Drogenbekämpfung von einer Firma beschafft wurden, die einem verurteilten Schmuggler gehörte, und kündigte den Beschaffungsvertrag. Aronow erklärte sich bereit, das USA Racing Team von Kramer zurückzukaufen, und zwar zu einem Preis, der unter dem Betrag lag, den er erhalten hatte. Die Berichte über das Geschäft variieren, aber anscheinend hatte Kramer beim Kauf der Firma unter der Hand 2 Millionen Dollar in bar bezahlt, und zwar mit Drogengeldern. Diese Summe zahlte Aronow nicht zurück. Und besiegelte damit sein Schicksal.
- FEBRUAR 1987
Als Aronow an diesem Nachmittag sein Büro verliess, machte er sich auf den Weg zu seinem 30 Autominuten entfernten Wohnsitz in der North Bay Road, einer Villa am Wasser im spanischen Stil von 1929. Die Mitglieder der Bee Gees waren Nachbarn auf beiden Seiten. Aronow war jetzt mit seiner zweiten Frau, Lillian Crawford, zusammen – einem Model, einer Palm-Beach-Erbin und Ex-Freundin von König Hussein von Jordanien. Don hatte scheinbar alles, wofür es sich zu leben lohnt. “Immer lachend” und “voller Leben” waren typische Beschreibungen für ihn. Ein fünfjähriges Wettbewerbsverbot mit Cigarette Racing, das er verkauft hatte, lief demnächst aus. Mit fast 60 Jahren sprach er davon, wieder mit dem Rennsport zu beginnen.
Seine 193 cm grosse, immer noch sportliche Statur passte kaum in den sportlichen weissen Mercedes-Benz-Zweisitzer, in dem er vom Büro des USA Racing Teams in der Thunderboat Row wegfuhr. Angestellte erinnerten sich an ein Geräusch wie Feuerwerkskörper – «ein Pop-Pop-Pop, unheimlich und bedrohlich». Auf der Strasse ein erschreckendes Bild. Halb aus dem Auto gestiegen, lag Aronow zusammengesackt da, sein Hemd mit Blut getränkt. Augenzeugen berichteten von einem dunklen Lincoln Continental, der neben Aronows weissem Mercedes angehalten hatte.
“Wer ist dieser Typ?”, fragte ein eintreffender Sanitäter. “Das ist der König”, lautete die Antwort, “Er hat diese ganze Strasse gebaut.” Don Aronow wurde per Flugzeug in ein Krankenhaus gebracht und war innerhalb einer Stunde tot. Aus den offiziellen Unterlagen geht später hervor, dass die Polizei aufgrund eines Hinweises einen Auftragskiller namens Bobby Young als Mörder identifizierten konnte.
In der Zwischenzeit war Kramer wegen massiven Marihuanaschmuggels und Geldwäsche zu mehreren Gefängnisstrafen verurteilt worden, darunter lebenslänglich ohne Bewährung. Weitere Hinweise und Spuren wiesen auf Kramer als den Mann hin, der den Anschlag angeordnet und bezahlt hatte. Don Aronow war eben schwer zu stoppen – höchstens durch eine Kugel…
T: Stefan Detjen
F: Magnum Marine/Cigarette Racing Team