Ende August entstand die Idee, im Herbst auf eine Flusstour zu gehen. Genauer gesagt mit einem Hausboot neue Landstriche kennen zu lernen. Und die neue Langsamkeit zu entdecken.
Aufgrund der herrschenden Covid-Massnahmen fielen schon einige Destinationen aufgrund der sich abzeichnenden Verschärfungen und Reisebestimmungen weg. Für mich als nicht ganz unerfahrener Bootsfahrer auch auf Hausbooten stand schnell fest, es muss irgendwo in der Nähe der Schweizer Grenze sein. Ein Blick auf die Binnenwasserstrasse-Karte und das Revier stand fest. Es soll ins nahe Burgund an die Saône gehen. Schnell online die möglichen Anbieter anschauen und kontaktieren war angesagt. Noch am selben Abend kam die Bestätigung von Locaboat Holidays, dass eine Pénichette Flying Bridge in der zweitletzten Woche der Saison, also Mitte/Ende Oktober noch frei wäre. Also gleich buchen und die Reisedaten in den Kalender eintragen.
So stellte sich dann unsere Crew zusammen. Sandra, Patrizia, Daniel und ich wollten die Weinregion erkunden. Und natürlich mit dabei unser erst 10 Monate alter Junghund Bacco. Der Malteser-Havaneserrüde stand vor seiner ersten grossen Reise. Hunde auf Hausbooten wird von Locaboat sogar sehr empfohlen, auf der Webseite findet man zahlreiche Tipps und Ratschläge. Erlaubt sind bis zu zwei Hunde an Bord, eine kleine Zusatzgebühr wird fällig.
Die Vorbereitung
Zur Vorbereitung des Törns richteten wir eine Whatsapp-Gruppe ein, um Informationen sowie Tipps untereinander auszutauschen. Für die drei unerfahrenen Greenhorns in Sachen Hausboote waren vor allem die Schleusen sowie die Anlegemanöver eine grosse Herausforderung. Auf Youtube gibt es unzählige Videos, wie diese Manöver gefahren werden. Ein wirklich empfehlenswerter Kanal ist „frag doch mal den Holländer“. Fachlich kompetent und mit viel Humor berichten Norbi und Lenni anschaulich „fast“ alles zum Thema Bootfahren. Und ich muss gestehen, auch für erfahrene Skipper gab es immer wieder Themen, die sehr lehrreich sind. Ein „Muss“ für Wassersportler. Im fast 50 Seiten umfassenden Kapitänshandbuch, welches vorab der Reise von Locaboat per Email gesendet wurde, standen schon sehr viel Tipps und Anregungen zur Reise drin.
Die problemlose Anreise
Mit dem Auto ist Scay-sur-Saône über Basel oder dem Jura innert 2 Stunden ab Schweizer Grenze schnell und einfach zu erreichen. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln wird es schwieriger und nicht empfohlen. Beim Grenzübertritt wurden weder Ausweise noch Covid-Formulare verlangt, es ist ja auch im Grenzgebiet der Schweiz, wo viele Auflagen nicht galten. Anders wäre es bei einer Reise nach Paris oder Südfrankreich gewesen.
Der Hafen ist ein wenig ausserhalb des 1’500-Seelen-Dorfes, er verfügt über genug Parkplätze, einige davon im (kostenpflichtigen) eingezäunten Areal. Die Einweisung ins Schiff verlief nach der freundlichen Begrüssung und Erledigung von Formalitäten im Büro ebenso leicht und locker, man fühlte sich bereits im Urlaub. Da wir das Schiff an einem Samstag übernommen hatten, wurde angeraten, im kleinen Carefour in der Ortsmitte die ersten Einkäufe zu tätigen. Wobei sich „klein“ auf die Aussenmasse bezog. Vom Sortiment her aber bietet der kleine Laden eine ausgezeichnete Auswahl auch an Frischeprodukten und Weinen. Und da am Sonntag die meisten Patisserien (Bäckereien) geschlossen sind, auch genügend Brot einkaufen.
So packten wir am ersten Tag unsere Pénichette Europe 400 mit Flybridge voll, ordneten das Gepäck in den zwei Kojen und richteten uns gemütlich ein. Um nach der vielen Arbeit auch endlich mit dem Urlaub beginnen zu können, folgten wir dem Rat von anderen Skippern in Onlineportalen sowie auch der Hafenangestellten und wollten im hafennahen Restaurant „Les 2 Ports“ speisen. Viele Gäste waren nicht anwesend, Platz hatte es genug. Hier wollten wir auch unsere Reiseroute bestimmen, ob es flussauf- oder abwärts Richtung Dijon geht. Wir entschlossen uns, flussabwärts zu skippern.
Ablegen bei Nebel, und gleich ein Tunnel zum Start
Am nächsten Morgen sollte unsere grosse Flussreise starten. Doch wo am Anreisetag noch heiterer Sonnenschein lockte, war es neblig und trüb. Und auch kalt. Und die erste Schleuse steht an. Etwas vorsichtig, aber doch von sich überzeugt, steuert Daniel das ihm noch unbekannte Boot in die Schleuse. Diese wird auch von der übrigen Besatzung mit Bravour gemeistert. Dann folgt ein kleines Stück auf der naturbelassenen Saône, um dann wieder in eine Derivation (Umleitung des Kanals) einzubiegen.
Schon jetzt folgt ein erstes Highlight der Tour: Der Kanal-Tunnel von Saint Albin. Der Neuskipper gibt das Ruder gerne an mich ab, habe ich doch schon einige Erfahrung mit Schiffen in Tunnels. Und voraus klafft ein grosses Dunkel, Kanalwasser gurgelt, ein lauwarmer Luftzug weht wie aus einer Gruft. Die letzten Wiesenstücke verschwinden, dann gleitet das Boot in die Unterwelt. Ein steinernes Gewölbe, orangefarbene Strahler setzen zittrige Lichtkegel aufs Wasser. Dafür weicht die Kälte des Nebels einer wohltuenden wärmenden Luft. 680 Meter hält die gespenstische Stimmung an. So lang ist der röhrenförmige Kanaltunnel bei Scay-sur-Saône, geschaffen im 19. Jahrhundert, um die Fahrtstrecke für Flussschiffe zu verkürzen. Denn hier schlängelt sich die Saône in grossen Schleifen durch die hügelige Landschaft. Die an einer Tunnelseite horizontal verankerten Eisenketten bezeugen, dass Schiffer hier einst mühsam per Hand durchmanövrieren mussten. Heute gestaltet sich das Ganze auf einem Hausboot viel bequemer.
Langsam schnurrt unser Schiff voran durch den Tunnel. Es nimmt fast die ganze Breite der Passage ein. Gegenverkehr ist nicht zu befürchten. Dafür sorgt draussen, an der Schleuse vor der südlichen Zufahrt, Christophe Poirot. Seit 33 Jahren hält er die Stellung als einer der letzten Schleusenwärter am Oberlauf der Saône, die sich im Osten Frankreichs ihren 473 Kilometer langen Weg vom Fuss der Vogesen durch die Grossregion Burgund-Franche-Comté bahnt, bis sie in Lyon in die Rhone mündet.
An dieser Schleuse bietet Poirot auch regionale Spezialitäten aus umliegenden Gehöften an. Feiner Wein, Honig in verschiedenen Geschmacksrichtungen und saisonale Erzeugnisse stehen zum Verkauf. Auch bietet er spontan seine Hilfe beim Schleusen an, nimmt Taue und gibt auch Ratschläge. Immer unter den Blicken seiner Tiere auf der anderen Seite der Schleuse – ein Esel und Hühner. Was unser Bordhund Bacco zu einem ersten Gebell veranlasst, er verteidigt seine neue, schwimmende Hundehütte.
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