Sir, Ihr Ölzeug! 60 Jahre trocken und kultig
Er floh aus Polen und kam als Soldat über Italien nach England. Dort blieb Henri Strzelecki nach Ende des Krieges und schuf mit Henri-Lloyd eine der legendärsten Bekleidungsmarken für Segler und Abenteurer.
Wir schreiben das Jahr 1968. Ein gewisser Robin Knox-Johnston will nonstop um die Welt segeln und macht sich auf einer Bootsmesse in England auf die Suche nach der passenden Bekleidung. Im 1. Stock der Ausstellung lernt er an einem Stand einen sehr netten Herrn kennen, der ihm die Vorteile seines Henri-Lloyd-Ölzeugs präsentiert: Wasserdicht, auch dank den verschweissten Nähten, strapazierbar, mit nicht rostendem Nylonreissverschluss. Als Referenz gibt der nette Verkäufer Sir Francis Chicester an, der die Welt mit dem Modell «Consort» in Rifle Green umsegelt hat. Knox-Johnston gefällt, was er sieht und er kauft sich seine «Foulies» in Gelb für 18 Pfund. Als er ein Jahr später als erster Mensch die Welt nonstop umsegelt hat, gehen die Bilder von seiner Ankunft um die Welt. Und machen ihn und die Marke Henri-Lloyd weit über die britischen Inseln hinaus bekannt.
Es war ein weiter weg für Mister Henri, wie der stets freundlich lächelnde Henri Strzelecki genannt wurde. Geboren 1925 in Brodnica, auf halbem Weg zwischen Warschau und Danzig, floh Strzelecki als junger Mann aus dem besetzten Polen. In Italien schloss er sich dem polnischen 2. Korps an, das Teil der britischen Achten Armee wurde. Zu seinen zahlreichen Einsätzen gehörte die Befreiung von Bologna. Als er in Grossbritannien demobilisiert wurde, entschied er sich, dort zu bleiben. Er studierte Textiltechnik und arbeitete
in der Hemdenfabrik Double Two in Wake-
field, wo er seine zukünftige Ehefrau Sheila kennenlernte. Sie gab ihm die Unterstützung, die der findige Entwickler brauchte, um seine Ideen zu voranzutreiben.
Als begeisterter Segler war Strzelecki frustriert, dass es keine Kleidung gab, die gut genug war, um der Nässe standzuhalten. Chemiefasern steckten noch in den Kinderschuhen, aber Strzelecki erkannte, dass sich Nylon für die Herstellung tragbarer wetterfester Kleidung eignete.
Sheila ermutigte ihn, seine Ideen zu entwickeln und zu Produktionsreife zu bringen. Dann war es soweit. Zusammen mit seinem Partner Angus Lloyd gründet er 1963 Henri Lloyd. Das Ziel: die beste wasserdichte Kleidung der Welt herzustellen. In einer umgebauten Kapelle in Salford, Greater Manchester, beginnt die Produktion anzulaufen. Henri beschafft neue Materialien und entwickelt Techniken wie das manuelle Verkleben von Nähten, wo sonst immer das Wasser einsickert. Auch bei den Zulieferfirmen bestellt er Novitäten. Beim Tessiner Zubehörhersteller Riri macht er Druck, um seine korrosionsfreie Nylonreissverschlüsse zu erhalten. Auf einer seiner Reisen skizziert er auf Hotelpapier seinen nächsten Coup: eine Segeljacke mit intergriertem Life-
jacket – ein Klassiker ist geboren, der viele Menschenleben retten wird.
Helden tragen Henri-Lloyd
Strzelecki hatte nicht nur ein Händchen für überzeugende Textilideen, sondern auch für wirksame Werbung. Schon bald erkannte er die Nutzen von Testimonials – mit Sir Chichester und Sir Knox-Johnston konnte er seinen guten Ruf an be- rühmte Namen andocken. Neben populären Entdeckern wie Sir Ranulph Fiennes liest sich die Liste der Markenbotschafter wie das Who-is-who des Segelsports: Alec Rose, Chay Blyth und Naomi James. Auch Olympiasiegerin und CNN-Moderatorin Shirley Robertson trug Henri-Lloyd genauso der erfolgreichste Olympiasegler der Welt, Sir Ben Ainslie. Mit seinem Team Ineos Britannia ist die britische Tradi-
tionsmarke auch an Bord der AC-Foilingkatamarane über den Wellen unterwegs. Mehr elegant als futuristisch stehen die Vorzeichen beim neusten Coup von HL: die Nautor Swan Gruppe hat soeben die Marke zum offiziellen Bekleidungspartner ernannt.
Hoch und runter
Zu einem eigenartigen Ruhm kam die Marke in den Achtzigerjahren. Die ikonischen Round the World Race-Jacke (Consort-Jacket), mauserte sich ausserhalb der Segelszene zum absoluten Must der italienischen «Paninaris», den modischen Preppies. Die Segeljacke in bunten Farben, Levi’s-Jeans und Timberland-Bootsschuhe waren die Uniform einer ganzen Generation, die auf ihren Vespas den Look aus den Städten bis an die Badeorte am Meer trugen. Nach diesem Kassenschlager wurde es jedoch immer ruhiger um die Marke, weitere Verkaufserfolge liessen auf sich warten. Dabei gab es durchaus noch mehr glänzende Momente. Königin Elisabeth II. verlieh Strzelecki 1985 für seine Verdien-
ste um die Bekleidungsindustrie den “Member of the Order of the British Empire”. Und sowohl 1986 als auch 1987 erhielt Henri-Lloyd die königliche Auszeichnung für seine Exportleistungen.
2012 legte Henri Strzelecki zu seiner letzten Reise ab und ein paar Jahre später dümpelte sein Lebenswerk nur noch vor sich hin, immer bedroht von der Insolvenz. 2018 ist die Firma Konkurs. Rettung kommt durch Hans Eckerström, einem passionierten Segler. Der Gründer und Geschäftsführer der Aligro-Gruppe schiesst zuerst nur Geld ein, später übernimmt er die Marke mit dem Lorbeerkranz und der Krone: “Ich bin ein leidenschaftlicher Segler und Henri Lloyd ist eine Marke, die immer einen besonderen Platz in meinem Herzen hatte. Jetzt, wo wir die Möglichkeit haben, bin ich entschlossen, das Erbe der Marke weiterzuführen und sie zu verbessern, um ihr volles Potenzial zu erreichen.” Das Unternehmen wird verschlankt, wieder flott gemacht und neue Kollektionen sollen alte und neue Kunden wieder begeistern. Im Zweijahresrythmus wechseln die Besitzer, Aligro übergibt an Odlo International, die wiederum werden von der Monte Rosa Sports Holding gekauft. Doch dort denkt man zum Glück langfristig, man lässt das Management den eingeschlagenen Weg weiterverfolgen. Der Kurs lautet: Rückbesinnung auf die alten Werte, zurück zu den Wurzeln.
Der Kurs liegt an
Bei Henri-Lloyd ist man stolz auf das britische Erbe, auf das Engagement für den Segelsport und den Schutz der Ozeane. Kestin Hare, der neue Creative Director, ist bekannt dafür, traditionsreiche Marken neu zu definieren, und zwar auf respektvolle, innovative Weise. Ein schönes Beispiel ist die Re-Edition der ikonischen Consort-Jacke, wie immer mit RWR-Patch. Ungewöhnliche Farben und ein schlankerer Schnitt machen den Segelmantel salonfähig und sorgen für den nötigen Coolness-Faktor.
Waren die Strzelecki-Kollektionen noch «Made In England», werden die aktuellen Teile wie die wasserdichten Jacken, technische Segelbekleidung und Strickwaren in der eigenen Fabrik in Polen konfektioniert. Nicht viele Hersteller verfügen über eigene Produktionsbetriebe, meist wird das heute an Unternehmen in China
ausgelagert. Henri-Lloyd ist bestrebt,
über 80 % seiner Produkte in Europa zu beziehen, um den CO2-Fussabdruck seiner Lieferkette zu verringern und zu garantieren, dass die Produkte unter hohen und geregelten Arbeitsbedingungen hergestellt werden. 100% der neuen HL-Teile sind recycelt, biologisch oder abfallfrei. Auch die Management-Crew wurde verstärkt: Knut Frostad ist seit März 2024 neuer Vorstandsvorsitzender bei Henri-Lloyd. Der mehrfache Weltumsegler und Ex-Boss des Volvo Ocean Races wird sich um Finanzen und Verkauf kümmern. Denn bei HL will man wieder wachsen. Mit Tradition und Technologie, erstklassigen Produkten und hochwertigem Design segelt die Marke mit frischem Wind in die internationalen Märkte, sehr zur Freude von alten Fans und trendigen Newcomern. Auch Sir Robin Knox-Johnston ist der Marke treu geblieben. Mehr noch: seit 2005 ist Henri Lloyd offizieller Bekleidungspartner seines Clipper Races, dem längsten Segelrennen der Welt.
www.henrilloyd.com