JEANNEAU 65 – Big Beau Brother

Das Flaggschiff der Jeanneau-Gamme misst stolze 65 Fuss und bietet alles, um das Segeln so angenehm wie möglich zu machen. WAVE ging in Cannes an Bord und kreuzte durch die Bucht der Croisette. Erstes Fazit: alles sehr, sehr nett…

Ende März macht das Wetter an der Côte noch etwas Kapriolen. Es ist grau und frisch, dafür gibt es Wind. Den braucht die flotte Yacht aus der Feder von Philippe Briand und Andrew Winch auch, denn um die 31 Tonnen in Bewegung zu bringen, muss Meister Aeolus schon mal die Backen blähen. Mit 10 Knoten machen wir 5 Knoten Fahrt. Weiter draussen, vor den Inseln, kommen ein paar weitere Windknoten dazu, die sofort in Speed umgesetzt werden. Bei 13.5 Knoten rauschen wir bereits mit einer Geschwindigkeit von 8.6 Knoten am Wind durchs Blau. Ein prüfender Blick auf das durchgelattete Gross (40 Quadrameter mehr Segelfläche als das Standard-Furlinggross), die Fock noch etwas dichter nehmen – die Jeanneau 65 ist durchaus empfänglich für etwas Fine Tuning. Bei etwas mehr Wind nimmt die Krängung zu, der Kurzkiel mag seine Vorteile haben, aber mit einer Breite von 5.4 Metern sitzt man schon ziemlich hoch in Luv. Der Standardkiel mit fast 3 Metern Länge dürfte da die bessere Wahl sein, um beim Segeln nicht zum Alpinisten zu werden. Möglicherweise erhöht das auch die Windrange, in dem die 65er gut, schnell und immer noch komfortabel segelt.

Das Steuerpult ist mit allerlei Elektronik bestückt, weniger wäre auch gut, man will ja nicht immer und alles bis ins letzte Detail wissen. Gewöhnungsbedürftig ist vielleicht der markante Gashebel, der mit links bedient wird. Seitliche Schalter bedienen die elektrische Winschen, der Steuermann (oder -frau) wird auch hier zum Selfmademan, der die Yacht auch alleine bedienen kann. Das Steuergefühl im riesigen Cockpit macht Spass, im Blick hat man die ebenfalls üppige U-förmige Liegezone, wo sich in der Praxis die Jungmannschaft oder Freunde des Hauses räkeln werden. Social Zone ist zwar ein Modewort, hier macht es jedoch durchaus Sinn. Ein weiterer Hot Spot für Geniesser liegt auf dem Vorschiff. Vor Anker hisst man hier ein Sonnensegel auf vier Trägerstangen und kreiert so eine wahrhaftige Chillzone.

Platz für alles

Der Gang unter Deck wird mit einem Wow-Effekt belohnt. Da links und rechts des Niedergangs weitere Stufen wegführen, wird die Raumhöhe noch verstärkt. Die schmalen Fenster des Ausbaus lassen weniger Helligkeit erwarten, aber in Kombination mit den Seitenfenstern des Rumpfes und des Vierer-Lukenblocks erscheint das moderne Interieur im besten Licht. Individualisierung wird gross geschrieben: Die Kabinenkonfiguration erlaubt viel Auswahl, von 2 bis 6 Kabinen ist alles möglich, der Eigner darf sein Reich entweder im Vorschiff oder im Heck einrichten. Die Pantry ist abgesenkt und rückt optisch etwas in den Hintergrund. Dafür rücken die Sofas im Salon in den Vordergrund, dank der üppigen Schiffsbreite sieht das nicht gedrängt aus. Sehr schön die Nasszonen, die den Namen Badezimmer verdienen. Cool auch die funktional gestalteten Türen, die den Zugang zur Skipperkabine im Bug bilden.

Wer sich fragt, wo die 10 Tonnen Schiffsgewicht herkommen, wird hier unten fündig. Air Kondition, Wasch- und Geschirrwaschmaschine, Tumbler, Kühlschränke bringen nicht nur Gewicht auf die Waage, sondern wollen auch versorgt werden. Üppige Batteriebänke und ein Generator spenden nicht nur den Hotelfunktionen den nötigen Saft. So ziemlich alles, was bewegt werden kann, ist elektrisch. Das Schiebedach des Dachbügels über dem Cockpit, die Passerelle, der Tischfuss im Cockpit, die Jalousien – alles auf Knopfdruck. Ein besonderer Showeffekt hält die Achterbank im Cockpit bereit: Knopf drücken und eine komplette Küchenkombination fährt hoch, inklusive Kühlschrank. Als Tribut an französischen Geniessergeist gibt es auch einen «Cave à vin», natürlich elektrifiziert. Elektrisch auch zwei weitere Gadgets: die Pumpe für die Decksreinigung und das Aufblasgerät in der Dinghygarage. Wenn ich daran denke, dass ich bei meinen ersten Charterferien auf einer 31 Fuss First noch Gedanken machte, ob ich auch wirklich die ganze Nacht das Ankerlicht brennen lassen konnte, ist dies hier eine komplette andere Welt des Segels. Ok, 31 Fuss sind nicht 65 Fuss und das mit dem Ankerlicht ist jetzt auch schon mehr als 30 Jahre her. Aber so die Grundphilosophie bleibt irgendwo tief in der Seele verankert. Und in nächster Zukunft ist sicherlich wieder mehr Energiesparen angesagt, auf See wie an Land.

“Meiner Meinung nach bietet die Jeanneau Yachts 65 ein schlüssiges Argument dafür, warum Einrumpfboote für ausgedehnte Reisen die bessere Wahl sind als Mehrrumpfboote, da sie auf See komfortabler und sicherer sind und mehr Spaß beim Segeln machen. In der Tat ist die Jeanneau Yachts 65 das, was wir ‘une valeur sure’ nennen: eine sichere Sache für jeden Eigner!”

Philippe Briand

Ganz schön viel Schiff

Nach dem Segelbergen bringt uns der gut schallisolierte 175 PS Volvo wieder zurück an den Liegeplatz. Trotz ihrer Grösse lässt sich die Jeanneau 65 auch im Hafen leicht manövrieren, Bugstrahlruder sei Dank. Wir legen seitlich an einen Schwimmsteg an. Jetzt merkt man, wie hoch das Freibord wirklich ist. Ohne ein Trittpodest kommt man nicht elegant an Land. Trotzdem wirkt die Grosse unter Segeln gar nicht so hoch. Dafür sorgen die langgezogenen Designlinien des Deckhausfensters. Auch sonst wirkt sie ausgeglichen und harmonisch in den Proportionen. 1.2 Millionen Euro sind ganz ok für eine Yacht dieser Grösse, die innen wie aussen sehr gefällig und hochwertig designt ist. Die Konstruktion überzeugt – vakuum-infusionierter Rumpf in Balsa/Polyester-Sandwich, der Kielbereich (mit dem L-förmigen Gusskiel) als monolithische Laminierung verstärkt. Die Innenformstruktur ist mit dem Rumpf verklebt und laminiert. Auch das Deck entsteht aus einem Balsa/Polyester-Sandwich, der unter Vakuum verklebt wird.

Mit ein paar Extras überschreitet man rasch die 2-Millionen-Grenze wie bei unserem Testschiff. Wer nicht so viel hinblättern möchte, sollte einen Blick auf die kleinere Schwester, die Jeanneau 60, werfen. Sie bietet viele Features wie das Flaggschiff, gleiches Design und ähnliche Segeleigenschaften, kommt aber ihrem zukünftigen Eigner mit einem tieferen Preis entgegen.

“Für Eigner, die ein Familienboot für ausgedehnte Törns suchen, bietet die Jeanneau Yachts 65 das beste Paket, das es derzeit auf dem Markt gibt. Als Segelyacht, die ideal für den Reisemarkt positioniert ist, kann die Jeanneau Yachts 65 alle Yachthäfen problemlos anlaufen und bietet im Cockpit eine vergleichbare Fläche wie ein Katamaran.”

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