Peter Hürzeler – Der Herr der Schiffe

Die vielen Pendler, die täglich in Küsnacht am Bürohaus an der Seestrasse 39 vorbeifahren, ahnen nicht, dass sich hier das Headquarter einer der wichtigsten Player im Yachtbusiness befindet. Ocean Independence heisst das international ausgerichtete Unternehmen, das im Luxussektor Yachten für Verkauf und Charter anbietet. Gründer Peter Hürzeler blickt von seinem Schreibtisch über den Zürichsee. Aber der Mann geniesst einen weltweiten Horizont, wenn es ums Geschäft geht. Die ungewöhnliche Karriere eines leidenschaftlichen Kapitäns…

Ocean Independence betreut heute mit 16 Büros um den ganzen Globus eine der grössten bemannten Charterflotten der Welt. Die Erfolge auch in 2024 können sich sehen lassen. Als Sales Broker hat die Firma 35 Yachten mit einer durchschnittlichen Länge von 30 m und einem durchschnittlichen Preis von 5,6 Millionen Euro verkauft. Dazu kommt das Chartergeschäft: mehr als 750 Chartertransaktionen mit einer mittleren Dauer von 7 Tagen und einem durchschnittlichen Wert von 142.000 EUR wurden abgewickelt.

Der Traum von Freiheit auf dem Wasser scheint also auch nach Covid noch Wirkung zu zeigen, trotz Krisen und Kriegen – oder vielleicht gerade deswegen. Denn eine Yacht ist eine kleine Welt für sich, man kann mondäne Häfen anlaufen oder in einer stillen Bucht ankern. Eine eindrückliche Industrie hat sich um diesen Traum aufgebaut, der mit Motor- und Segelyachten und noch mehr Dienstleistungen für Milliardenvolumen sorgt.

An dieser kompletten Wertschöpfungskette ist auch Peter Hürzeler und seine mehr als 120 Mitarbeiter involviert. Man berät interessierte Kunden beim Kauf, entwickelt neue Yachtkonzepte, begleitet den Bau oder Umbau, kümmert sich ums Crewmanagement und sämtliche Belange wie Versicherungen, Unterhalt oder den Weiterverkauf. «All business is local,» erklärt Hürzeler sein weltweites Netz an Büros, «man muss nahe beim Kunden sein, das schafft Vertrauen. Trotz unserer Grösse pflegen wir einen Teamspirit wie eine grosse Familie.» Die Yachten werden immer komplexer, die Investitionen immer grösser. Parallel dazu wächst auch seit 30 Jahren nach der Gründung das Know-how und die Expertise der OI-Berater und Beraterinnen.

Der grandiose Businessplan

Doch wie schaffte es ein ehemaliger Nischenplayer vom Zürichsee in die Top Five der Yacht-Brokerage-Unternehmen? Kapitän Hürzeler lehnt sich zurück und blickt in die Vergangenheit. Der Erfolg von Ocean Independence ist eigentlich die Folge eines Misserfolgs. Denn Hürzeler, der eigentlich Rechtsanwalt werden wollte, dem aber dann der Hörsaal viel zu eng erschien, hat keinerlei betriebswirtschaftliche Ausbildung. Dafür alles, was einen guten Kapitän auszeichnet. «Die Handelsmarine der guten alten Zeit war ein Umfeld, welches das Team in den Mittelpunkt stellte, aber in einer Art und Weise, die den Wert des Einzelnen unterstrich,» erzählt Hürzeler. «Es wirkt Wunder für das Selbstwertgefühl, Nacht für Nacht auf der Brücke eines grossen Schiffes zu stehen, über sich nur die funkelnde Milchstrasse und zu wissen, dass unten eine grosse Zahl Menschen ruhig schläft, weil sie darauf vertrauen, dass man hier oben aufpasst und im Bedarfsfall das Richtige tun würde».

Nach Matur, Auszeit und Ausbildung im Maritiem Instituut in Vlissingen zum Kapitän, erlebt der junge Hürzeler die letzten Tage der romantischen Seefahrt. «Damals wurde jeder Kaffeesack landseitig in ein Netz gelegt, dann mit Ladebäumen ins Schiff gehievt, und dort Stück für Stück im Laderaum aufgebaut – nicht hingeworfen, sondern eben sorgfältig gestaut. 300 Tonnen pro Tag optimalerweise – aber optimal waren die Umstände selten,» erinnert sich der damalige Schiffsoffizier lachend. «Bei jedem Regenguss mussten alle sechs Luken geschlossen werden – roher Kaffee erträgt keine Feuchtigkeit. Danach musste alles wieder geöffnet werden. Und natürlich war unterdessen die Ladung an Land auch ins Trockene gebracht worden.» Das Schöne daran: die wochenlangen Liegezeiten in exotischen Häfen boten genug Zeit, Land und Leute kennenzulernen. Mit dem Aufkommen der Container war Schluss mit der Beschaulichkeit. Brauchte Hürzelers Frachter noch Wochen für 4000 Tonnen, schlagen moderne Frachter das heute innert Stunden um.

Leinen los… und untergehen

Schon vor dem Ablegen des Kapitäns-examens wurde ihm nach etwa sieben Jahren mehr oder weniger christlicher Seefahrt klar, dass das keine Karriere fürs Leben sein würde. Die unpersönlichen Container, aber auch die immer kleiner werdenden Besatzungen und damit das Fehlen von sozialen Kontakten an Bord – all das war nicht ermutigend für die Zukunft.

Mit seinem Bruder entwickelte er den Plan, ihre beider persönlichen Erfahrungen aus der Segelei mit seinen Kenntnissen der professionellen Seefahrt zu verbinden. Heraus kam das Konzept einer Flotte von 36m-grossen Segelyachten, professionell gebaut und betrieben, welche im Chartermarkt und über den Kreuzfahrtkanal vermarktet werden sollte. Mit einem selbst gebastelten Businessplan überzeugten sie vor allem sich selbst – die Idee und die Argumente waren einleuchtend, die Zahlen dazu wurden passend gemacht. «Immer balancierend auf schmalen dem Grat zwischen Mut und Selbstüberschätzung, trieben wir das Projekt voran – schlussendlich offenbar so überzeugend, dass wir tatsächlich von einer norwegischen Bank eine Schifffinanzierung bekamen, und aufgrund unserer Sicherheiten und daran angehängten multiplen persönlichen Bürgschaften einen Betriebskredit von der damaligen Kreditanstalt,» fährt Hürzeler fort. «Es war ein herrliches Gefühl, in Holland mit dem Bau des ersten Schiffes zu beginnen. Nur hatten wir leider wie erwähnt keine Ahnung von der Komplexität des Yachtbaus oder vom Geschäftsgebaren von Werftbesitzern, und lange vor der Fertigstellung der ersten Einheit war der Baukredit aufgebraucht und die für Marketing und Betrieb vorgesehenen Mittel bereits schwer in Mitleidenschaft gezogen. Als wir im Frühjahr 1987 von Rotterdam mit der Colombaio zu unserer Jungfernfahrt ausliefen, waren wir nach normalen Massstäben bereits bankrott.» Die folgenden Jahre beschreibt Skipper Hürzeler «als zwei der schlimmsten und besten Jahre meines Lebens». Die schlimmsten, weil es keinen Tag zu geben schien, an dem keine technischen oder finanziellen Probleme auftraten; die besten, weil es gelang, sämtliche Katastrophen erfolgreich zu bestehen – und es waren diese Jahre, in denen das Netzwerk mit Brokern und Lieferanten geknüpft wurde, von dem Ocean Independence bis heute jeden Tag profitiert.

Als die Colombaio Segelkreuzfahrten AG 1990 entgültig vor dem Untergang steht, findet sich nach langem Suchen und unter Mithilfe eines Vermittlers eine deutsche Beteiligungsgesellschaft, der das Konzept der Pocket-Kreuzfahrtschiffen gefällt. Das Kapital für zwei etwas grössere Neubauten erfolgt über Steuerabschreibungs-modelle, welche damals im EU-Raum für Seeschiffe gang und gäbe waren. Dafür wurde eine neue Firma namens Ocean Cruise gegründet, an der die Hürzeler-Brüder nicht mehr beteiligt waren – für die aber Peter als Geschäftführer tätig sein konnte, denn ohne das aufgebaute Netzwerk gabe es keine Erfolgsaussicht.

Mit dem Ende der Abschreibungslaufzeit kam das endgültige Aus für die Colombaio-Flotte. Die drei Schiffe hatten nur eine Kapazität von 36 Gästen – bei 100%-iger Auslastung, wohlverstanden. Der finanzielle Aufwand war gross, das Risiko ebenso. Die Yachten wurden 1994/5 verkauft – und segeln übrigens noch heute erfolgreich auf den Weltmeeren. Peter Hürzeler war damit eigentlich arbeitslos – oder wäre es gewesen, wenn er nicht rechtzeitig dafür gesorgt hätte, dass ihm die nun inhaltslose Ocean Cruise überschrieben wurde. Ein Neustart ohne Geld, mit Schulden bei der Bank, aber mit einer guten Reputation im Markt und ungebrochenem Vertrauen.

Von klein zu gross

Von 1994 an werden Kunden von Zürich aus beraten, auch mit Hilfe einer Assitentin. 1999 wird dann ein Büro in Monaco eröffnet – erst nur ein Zimmer in Untermiete bei einem Ladungsmakler. 2002 kommt Fort Lauderdale dazu, 2003 Palma de Mallorca. Immer klein, immer vorsichtig – aber immer ein bisschen mehr, als es wirklich vernünftig wäre. Dann geht es für Ocean Cruise Schritt für Schritt nach oben, auch mit Aufkäufen anderer Broker wie Velona Yachting in Monaco oder mit der Fusion mit Sea Independence zu Ocean Independence. Zusammen mit seinem Geschäftspartner Nick Dean übernimmt Hürzeler 2005 Cavendish White, eine eingesessene und namhafte Firma in England. Mit einem neuen Logo und einem kompletten Rebranding positioniert sich Ocean Independence als Lifestyle-Marke für eine immer jünger werdende Kundschaft, die einen 360-Grad-Service zu schätzen weiss. Charter ist längst nicht mehr nur ein Luxusurlaub. Heute zählen einzigartige Erlebnisse, Wellness mit Fitnessstudio, Yoga und Massagen sowie gesunde Küche. Die Nachfrage steigt für Familiencharter, Teambuilding für Unternehmen und für private Anlässe, die es zu feiern gilt. Bei ausgedehnten Kreuzfahrten von bis zwei bis drei Monaten wird die Yacht auch gern als schwimmendes Büro genutzt, inspiriert durch Smart Working nach Covid. Eine weitere Zielgruppe sind «Luxusnomaden»: Kunden, die an Bord leben und sich mit Verwandten und Freunden abwechseln, in einer Mischung aus Ferien und Lebensstil.

Der Ruf nach Nachhaltigkeit macht auch vor Luxusyachten nicht Halt. Hybride Schiffsantriebe, alternative Treibstoffe oder das Vermeiden von Plastik gehören längst zum Angebot bei naturnahen Kunden. Gewandelt hat sich auch das Buchungsverhalten. Bei Yachten über 50 Meter erfolgt die Reservierung oft 6 bis 12 Monate im Voraus. Treue Kunden reservieren ihre bevorzugte Yacht und Lieblings-Crew meist noch früher. Im Gegensatz dazu ist das Segment der 30- bis 50-Meter-Yachten flexibler und bietet dank hoher Verfügbarkeit auch Spielraum für Last-Minute-Buchungen. Und wer schnell zur Yacht hin und zurück fliegen muss, für den gibt es bei Ocean Independence eine eigene Aviatik-Abteilung, die Transfers im Privatjet organisiert.

Kurs in die Zukunft

An Herausforderungen an die Branche mangelt es nicht. Umweltauflagen, strengere Ankerregeln, KYC-Kontrollen (Know Your Customer) und Verfahren zur Vermögensprüfung machen den Prozess komplexer. Gleichzeitig erschwert der Mangel an Liegeplätzen – insbesondere an begehrten Reisezielen – die Logistik.

Digitale Innovationen können die tägliche Arbeit erleichtern. Mit KI-basierten Systemen lassen sich Kundenbedürfnisse antizipieren und verfügbare Yachten in Echtzeit vorschlagen. Aber, wie Peter Hürzeler betont, bleibt der persönliche Kontakt unersetzlich. Den Firmenpatron freut es auch, dass Familienmitglieder bei Ocean Independence arbeiten: Frau Kita als Brand Ambassador, Tochter Lana als Leiterin der Personalabteilung und Sohn Alexander als Leiter der Finanzabteilung.

Nach den Jahren des Wachtums soll nun die Marktposition gefestigt werden. Der Kernmarkt D-A-CH, der 30% des Umsatzes ausmacht, will weiterhin intensiv gepflegt werden. Für den Rest der Welt kommen die 23 Sprachkenntnisse der Mitarbeiter aus 26 Nationalitäten perfekt zum Einsatz. Die USA sind in den vergangenen Jahren immer interessanter geworden. Zum Glück war Ocean independence nie stark im russischen Markt aktiv, der während einigen Jahren regelrecht explodierte und jetzt komplett eingebrochen ist. Der Nahe Osten kommt mal mehr und mal weniger zur Geltung und der chinesische Markt spielt interessanterweise keine grosse Rolle, «da die Chinesen sich eher vor dem Wasser fürchten und sich deshalb auf Yachten nicht so recht wohl fühlen,» wie Peter Hürzeler weiss. Auch die letzten News sind erfreulich. Ocean independence hat dieses Jahr ein neues Office in Dubai eröffnet und ist mit der Giangrasso Group eine erfolgreiche Partnerschaft eingegangen. Der einstige Zulieferer für die italienische Yachtindustrie baut neu eigene Yachten, die exklusiv von Ocean Independence vermarktet werden. Die erste Einheit wird diesen Sommer für den neuen Eigner vom Stapel gelassen.

Und eines ist für ihn sicher, das hat sich in seinem Leben, beruflich wie privat immer wieder bewährt: «Wenn Du an eine Weggabelung kommst, dann folge ihr!», zitiert Hürzeler den legendären Baseballspieler und -coach Lawrence Peter «Yogi» Berra. Das sind Leitsätze, die an keiner Kaderschule gelehrt werden. Peter Hürzeler hat das Glück, sich jeden Tag mit des Lebens schönsten Seiten zu beschäftigen: Yachten und alles, was mit (grossen) Yachten zu tun hat. Er hat kein Problem damit, sich als Glückspilz zu bezeichnen. Und dass sein Karriereweg ohne Ziel trotzdem zu einem Ziel geführt hat – auch ohne betriebswirtschaftliche Ausbildung. Dafür mit der Erkenntnis, dass uns auch Umwege durchaus weiterbringen können. Oder mit den Worten von Yogi Berra: «It’s déjà vu all over again.»

T: Stefan Detjen
F: Jürg Kaufmann/Peter Hürzeler/ZVG

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