Die schöne Schwester

Mit der Renovation von Tuiga begann die zweite Glanzeit der 15-Meter-Klasse. Zum Glück, muss man sagen, denn sonst könnten wir heute die Eleganz und Schönheit ihrer weiteren Schwestern wie Hispania, The Lady Anne und Mariska gar nicht bewundern. Denn erst im Kielwasser der perfekt restaurierten Tuiga kam es zu einer regelrechten Revival-welle für klassische Yachten…

Die 1906 in London geschaffene Internationale Meter-Regel brachte eine ausgeglichene Vermessungsregel für Yachten, die zwar unterschiedlich gestaltet waren, jedoch eine einheitliche Formel als Basis hatten. Die so geschaffenen Klassen beeinflussten den Yachtsport im grossen Stil, beendeten sie doch das Chaos an verschiedenen sogenannten One-Design-Klassen, die meist nur sehr regional vertreten waren. Der Begriff «Meter» in der Bezeichnung bezieht sich dabei nicht auf die tatsächliche Länge der Boote, sondern auf ihren berechneten Wert. In der 15mR-Klasse beträgt die Gesamtlänge der Boote dieser Klasse bis zu 30 Meter über alles. Tuiga ist eine der fünf heute noch existierenden Yachten dieser 15-Meter-Klasse, für die insgesamt 19 Yachten gebaut wurden. Bis zum 1. Weltkrieg erlebten der Yacht-sport ein «goldenes Zeitalter», die Schiffe erfreuten sich grosser Beliebtheit vor allem unter vermögenden Segelbegeisterten und renommierten Yachtclubs. Die 15mR-Klasse zeichnete sich durch ihre harmonische Grösse und ihre Wettbewerbsstärke aus und wurde schnell zur geschätzten Kategorie im Segelsport… auch weil sie als Rennyachten unter Deck genügend Raum für etwas längere Törns boten.

Ohne Hispania keine Tuiga

Die Begeisterung für die Meter-Klassen kam auch am spanischen Hof an. Der junge König stand bei seinen Zeitgenossen nicht unbedingt im Ruf, ein guter Politiker zu sein. Aber beim Segeln konnte ihm so schnell kaum einer etwas vormachen. Die Rede ist vom spanischen König Alfonso XIII., dem Urgrossvater des heutigen Königs Felipe. 1909 gibt Alfonso im Alter von gerade einmal 23 Jahren bei William Fife III. die 15mR-Yacht Hispania in Auftrag. Der schnelle Riss aus Schottland wurde dann auf der spanischen Werft Karpad de Pasaia vom Stapel gelassen.

Aber alleine Segeln macht keinen Spass. Und als Adeliger möchte man sich doch bitte mit gleichartigen Waffen duellieren. Der Herzog von Medinacelli, mit vollem Namen Luis Fernández de Córdoba y Salabert, ist nicht nur ein Freund des Königs, er teilt auch dessen Segelleidenschaft. Beide segeln bereits gemeinsam auf einer 6mR-Yacht. Begeistert beschliesst auch der Herzog, bei Fife eine 15mR-Yacht zu ordern. Das Ergebnis ist nach nur sechsmonatiger Bauzeit Tuiga, die der Hispania zum Verwechseln ähnlich sieht. Bei der Namensgebung hält sich der Herzog von Medinacelli an die Familientradition: alle Yachten der Medinacellis hiessen Tuiga. Der Herzog ist nämlich auch ein ebenso begeisterter Jäger, und eine seiner grössten Trophäen war eine Giraffe – in Swahili Twiga oder Tuiga genannt. Seine von Fife 1908 geschaffene Tuiga war allerdings die letzte dieses Namens.


Mit Baubeginn am 15. November 1908 ist das Schwesterschiff Mitte Mai des folgenden Jahres in Rekordzeit fertig. In den folgenden Jahren segeln Tuiga und Hispania auf zahlreichen Regatten gegeneinander. Tuiga belegt stets den 2. Platz hinter Hispania. Aufgrund der Ähnlichkeit der beiden Fife-Yachten etwas unverständlich und so kommt das Gerücht auf, Tuiga liesse der königlichen Schwester absichtlich den Vortritt, um den Herzog von Medinacelli nicht in die Verlegenheit zu bringen, seinen König zu besiegen. Noblesse oblige…

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