Go Green and Feel Free

Pioniere haben es nie leicht – doch wenn das Konzept kommerziellen Erfolg hat, ist die Freude umso grösser. So geschehen bei Windelo Catamarans, die dank ihren grünen Zweirümpfern mit E-Antrieb echte Segler als Kunden gewinnen konnten. Aber das ist erst der Anfang…

Nach drei Biegungen laufen wir aus der gut geschützten Marina Canet-en-Roussilon aus. Die beiden Elektromotoren des Windelo 50 Adventure Cats schnurren leise und schieben uns aufs Meer hinaus. Wobei «schnurren» übertrieben ist – man hört sie eigentlich gar nicht. Es ist ein Prachtstag, ein strahlend blauer Himmel und ein launiger Tramontana-Wind freuen sich auf uns. Gross hoch und Selbstwende-Fock ausrollen, Daggerboards absenken, Motoren aus – los geht das Segelvergnügen. Kaum sind die Segel richtig getrimmt, zeigt der 50-Füsser, was er kann und springt direkt an. Hart am Wind fährt er wie auf den oft zitierten Schienen, die Steuerung ist angenehm direkt und ohne viel Ruderdruck. Wer immer noch der Auffassung ist, Katamarane können nicht am Wind segeln, sollte eine Windelo-Probefahrt machen. Aktuell geniessen wir 17 Knoten Wind, die das Adventure-Modell in mehr als 10 Knoten Bootsspeed umsetzt.

RÜCK- UND AUSBLICK

Die Erfolgsgeschichte beginnt wie so viele mit einem Traum, der von der Weltumseglung. Oliver Kauffmann ist ein erfolgreicher Manager und sucht eine passende Yacht für die Realisierung seines Segeltraums. Doch er findet nichts, was ihn überzeugt. So setzt er die Kriterien für eine eigenes Katkonzept fest: Komfortabel, schnell und vor allem umweltfreundlich, beim Bau wie beim Segeln. Es folgen zwei intensive Jahre mit Entwerfen, Entwickeln und Forschen, dann gründet er 2018 mit seinem Sohn Gautier Windelo Yachts. Das erste Modell basiert auf Kaufmanns Umweltideen, den Architekten Barreau und Neuman sowie auf Studien der Ecole Nationale des Mines d’Alès. Gebaut in Canet-en-Roussilon, wo auch andere Katamarane für namhafte Brands gefertigt werden. Aber bei Windelo ist alles anders. In den eigens entwickelten Verbundstoffen werden Basaltfasern und rezykliertes PET eingesetzt.

Schon das reduziert den CO2-Fussabdruck der grünen Kauffmann-Katamarane um 47%. Die elektrische Motorisierung gehört mit zur grünen Philosophie und hat sich in der Praxis bewährt. Der erste Windelo- Kat absolvierte ohne Probleme eine 20’000 Seemeilen lange Atlantikrundfahrt. Der Generator, der im Notfall die Batterien aufladen kann, wurde selten bis nie benutzt. Kein Wunder also, wurde der Windelo 50 Adventure Kat bei der Wahl zur «Europäischen Yacht des Jahres 2022» mit dem Sonderpreis für Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Das bestätigen auch die die Eigner der Windelo-Katamarane, die seitdem vom Stapel liefen. Die gesammelten Erfahrungen werden laufend in die neuen Modelle integriert. (So verfügt unser Testkat (ein Eignermodell) gegenüber Baunummer 1 über die doppelte Batteriekapazität.)

KOMFORT ABER SPORTLICH

Aber zurück an Bord. Wir segeln mit Kurs Nord der Küste entlang, gegen den Tramontana, der jetzt auf 23 Knoten aufgefrischt hat. Wir holen die Daggerboards zur Hälfte ein und sollten eigentlich ans Reffen denken. Das Handbuch empfiehlt bei Windstärken von 18 bis 25 Knoten: Reff 1 ins Gross und Solent auf 60% einrollen. Doch die flache See gestattet uns, das Supersegelfeeling noch länger auszukosten. Dann Abfallen und durch den Wind gehen. Wieder einmal zeigt sich das gut durchdachte Handling. Sämtliche Winschen und Klemmen auf der Arbeitsfläche sind nach genau definierten Winkeln und Positionen angeordnet, damit Schoten, Fallen und Furlerleinen zentral vom Arbeitscockpit aus bedient werden können. Wer allein segelt, aktiviert die Wind Hold Funktion auf dem Display und führt jedes Manöver problemlos durch. Wieder zurück in einer Zone mit weniger Wind, wechseln wir vom Solent auf den Gennaker. Kaum sind die Segel richtig getrimmt, zeigt der Windelo-Kat seine Vorwindstärke. Unser Kielwasser könnte das eines Motorboots sein, so rauschen wir ab. Bei 17.5 Knoten Wind laufen wir über 10 Knoten. Jetzt arbeiten die beiden E-Antriebe als Hydrogeneratoren perfekt und liefern 0.4 kW an die 48 V Batterie. Gleichzeitig laden die Solarzellen die gleiche Batterie mit 1.57 kW und die 24 V Servicebatterie bekommt mit 0.38 kW ihren Teil ab. Zum Vergleich: der Verbrauch saugt für die 220 V Comfort-Funktionen (Kühlschrank usw.) aktuell -1.0 kW ab. Optional ist auch eine Windturbine erhältlich, aber wie man an dieser Energiebilanz sieht, ist das eigentlich gar nicht nötig.

Wir segeln die Küste rauf und runter und probieren verschiedene Kurse aus. Das Seeverhalten ist optimal, das Steuern ein Vergnügen und die Tatsache, bis 35° an den Wind gehen zu können, erhöht das sportliche Feeling ungemein. Dank an die Daggerboards, die den Tiefgang auf 2.36 Meter erhöhen und so für Spurtreue und den nötigen Gegendruck beim Amwindkurs sorgen. Das Cockpit mit seinen zwei Sofas ist der perfekte Arbeitsort für die Crew. Durch Schiebetüren abtrennbar vom Salon, ist es per Definition eigentlich ein Aussencockpit, erkenntlich an dem üppig dimensionierten Lenzöffnungen. Trotzdem arbeitet man gut geschützt, die Deckenfenster erlauben den Kontrollblick aufs Gross, nach vorne hat man die Vorsegel perfekt im Blickbereich. Der Durchstieg aufs Vordeck garantiert das Open-Air-Feeling. Dank dem launischen Wind konnten wir das Segelverhalten in einem Spektrum von 8 bis 24 Knoten prüfen. Ein perfekter Testtag!

DIE INNEREN WERTE

Wir benutzen die Gelegenheit und warfen vor dem Test einen Blick hinter die Kulissen. Unter der Führung von Dan Pelletier (der vor Windelo über 20 Jahre Erfahrung im Bootsvertrieb und als Gutachter sammelte) schauen wir uns den Entstehungsprozess der Green-Cats an. Es ist ein spezieller Moment, denn gerade werden die ersten Streifen Laminat für ein weiteres Modell in die Formen gelegt. Sind die Rümpfe fertig, werden sie zum weiteren Zusammenbau mit dem Mittelteil auf einem Stahlrahmen exakt justiert und dann fixiert. In der nächsten Phase erfolgt der Innenausbau, anschliessend werden die Aufbauten platziert. Eindrücklich zusehen, wie stark die Verbindungsteile gefertigt sind und wie bei den Verbundstoffen auf Gewichtsreduktion geachtet wird. Zusätzlich zur Crashbox ist auch das anschliessende Schot so konstruiert, dass es im Notfall einen weiteren Wassereinbruch verhindern kann. Gut erkennbar auch die Gründe, warum beim Segeln nichts knarrt oder quietscht. Wände, Stringer und alle Einbauteile werden wenn immer möglich einlaminiert. Und das mit höchster Präzision, denn dicke Silikonfugen sucht man vergeblich. Nach der letzten Bauphase gehen die Kats ins Wasser und werden gleich vor der Werft fertig gestellt, inkl. Rigg. Die kurzen Arbeitswege ergeben auch kurze Entscheidungswege. Das Konstruktionsbüro (wie auch Einkauf, Marketing und Verkauf) liegen nur eine Treppe höher und optimiert die Zusammenarbeit zwischen den Denkern und den Ausführenden. Alle Abteilungen arbeiten ständig an Verbesserungen. So z.B. hat das Team bei der Vakuum-Infusion gerade eine parallele Versuchsreihe gestartet, bei der die üblichen Einwegfolien durch ein neues Material für mehrfache Nutzung ersetzt wird. Auffällig ist der gute Teamspirit zwischen allen Mitarbeitern, man spürt die Hingabe und den Einsatzwillen. Es wird zweischichtig gearbeitet, bis spät abends vernimmt man emsige Treiben, dann erst geht das Werfttor zu und es wird still.

WINDELO BY NIGHT

Da ich auf dem Testkat direkt vor der Werft übernachten darf, bekomme ich das hautnah mit. Für mich beginnt jetzt der zweite Teil des Tests. Da wir uns in der Industriezone befinden, sind verlockende Bars und Restaurants weiter weg. Dafür brennt die Abendsonne umso intensiver. Jetzt zeigen sich weitere Vorteile der Windelo- Bauweise. Dank guter Isolation fühlt man sich auch in tropischen und kälteren Klimazonen immer wohl an Bord. Ich öffne die Schiebetüren und Fenster ringsum und der Abendwind macht jede Klimaanlage überflüssig. Im grossen Kühlschrank finden sich noch die übrig gebliebenen Sandwiches und Äpfel, die vom Mittagessen mit einem potentiellen Kunden stammen. Auch das ist typisch Windelo: kein grosses Tamtan und Getue, kein Geflöte und leere Verkaufshülsen. Dabei war der Interessent extra aus Übersee angereist, hatte sich die Werft angeschaut und einen Schlag gesegelt.

Da es sich um einen Eignerkat handelt, komme ich in den Genuss von Tafelsilber und anderen Annehmlichkeiten. Im Bad des Eignerrumpfes befindet sich eine optionale japanische Toilette, man gönnt sich ja auch sonst alles. Standard hingegen sind die Lichtschalter mit Doppelfunktion. Sie steuern neben der Normalbeleuchtung auch das indirekte Rotlicht in Bodennähe, dank dem man sich bei Nachtfahrten gut im Kat bewegen kann, ohne die Working Crew zu blenden. Ich durchstreife den Kat und komme mir vor wie bei der Jagd nach dem Roten Oktober. Der Verbindungsgang zwischen Vor- und Achterschiff macht in den Rümpfen eine weiche Kurve um die Daggerboard-Schäfte. Nicht weiter störend und elegant gelöst. Die Kombination aus Wohn- und Stauraum ist perfekt optimiert, jeder Teil verfügt über genügend Volumen.

Zur Schlafenszeit entscheide ich mich gegen die einladende Eignerkabine mit dem eindrücklichen Übereck-Fenster und gebe dem Daybed im Salon Vorrang. Wenn schon eine Nacht am Meer, dann möglichst viel davon mitbekommen. Rundum ist alles offen, ich höre die Möwen kreischen und die Wellen plätschern. Bonne nuit!

DAS GLÜCK DER TÜCHTIGEN

Punkt sieben Uhr weckt mich Arbeitslärm aus süssen Träumen. Das Aussenteam der ersten Schicht ist am nebenliegenden Kat mit Feinarbeiten am Werk. Später wird der Mast angeliefert, der Kunde will im August auslaufen. Ich fülle die beiden Tanks «meiner» Windelo – über einen einzigen Einfüllstutzen. Der Wechsel der Tanks geschieht per Knopfdruck auf dem Display. Das mühsame Umstellen an versteckt liegenden Hähnen entfällt. Neugierig durchstreife ich nochmals den Kat innen und aussen und liste die kleinen und grossen Dinge auf, die mir gefallen. Hinter der Paneele eines Wandschranks entdecke ich die sauber ausgeführte Verkabelung der Elektronikzentrale. Obwohl eigentlich nicht sichtbar, ist sie so ausgeführt, dass sie in jedem Schaufenster glänzen könnte. Mit Profi-Yachtmaster und Executive Director Stéphane Groves hatte ich beim Segeln spasseshalber eine Wette vereinbart, dass ich irgendeinen Fehler finden würde. Bis jetzt bin ich noch nicht fündig geworden. Gut gelöst ist die Position der Rettungsinsel, die beim Worst Case einer Kenterung von der Ausstiegsluke im Bad direkt erreichbar ist. Praktisch und pragmatisch auch die Lashings für die Umlenkrollen am Mast, einfach und effizient die Badeplattform mit integrierten Davits. Auch angenehm: die Reling ohne Drahtseil, dafür mit einer Textillösung. Windelo baut eben für eine reiselustige Kundschaft, die bis zum Horizont segelt. Und die weiss, das einfache Lösungen auch weit weg von der nächsten Servicestelle am besten mit Bordmitteln repariert werden können. Abschliessend finde ich doch noch etwas zum Verbessern. Die Badeleiter am Heck könnte ruhig ein bisschen breiter und stabiler sein. Damit ein 100 Kilo Brocken wie ich nach dem Baden wieder bequem an Bord kommt. Ein gut gelaunter Stéphane bringt mich nach Perpignan zum Bahnhof. Der Grund für die gute Laune: der potentielle Kunde hat am Morgen den Kaufvertrag unterschrieben. Bevor wir losfahren, deutet der zufriedene Vertriebsleiter auf die Wiese neben der Werkshalle. Das Grundstück gehöre Windelo, die Baugenehmigung für eine weitere Werfthalle liegt bereits vor. Sobald sich der Gesamtmarkt erhole, wird mit dem Bau begonnen. Nach all dem, was ich gesehen, erlebt und getestet habe, wird das schon ziemlich bald geschehen…

T: Stefan Detjen
F: Windelo/Stefan Detjen

www.windelo-catamaran.com

Share the Post:

Könnte Ihnen auch gefallen