Ganz nah am Wasser

Es muss nicht immer ein Segelboot sein, auch mit Kajaks und Kanus erlebt man das Wassergefühl ganz intensiv. Ohne Anstrengung lässt es sich stromabwärts am besten reisen. Wir haben die Dordogne im Périgord ausgesucht, um etwas über die stille Art der Fortbewegung zu erfahren…

Über dem Tal schweben Milane, am Ufer hat ein Fischreiher sein Frühstück aufgepickt. Das ist keine Kunst hier, die Dordogne gehört zu den saubersten Flüssen Frankreichs, das Wasser ist transparent und die kleinen Fische sind quasi zum Greifen nah. Sonnenreflexe tanzen auf dem Wasser, mit sanften Paddelbewegungen versuche ich mich der Harmonie der Umgebung anzupassen. Als Seefahrer des 3. Jahrtausends folge ich dem Wasserlauf, auf dem schon seit Generationen alte Lastkähne Holz, Wein und Nussöl vom Landesinnern zu den Marktplätzen des Landes zu transportieren. Die Flüsse des Périgord entstanden vor Jahrtausenden, um das Wasser des Zentralmassivs in den Atlantik abfliessen zu lassen. 4.000 km Wasserläufe soll es hier geben, mehrere Flüsse bieten sich als Erkundungstour an. Im Zentrum und Norden des Departements auf der Auvézère inmitten industrieller Archäologie, von Mühle zu Mühle auf der Dronne, auf der Isle zwischen Dörfern und bebauten Ufern; im Süden auf der Vézère zum Beginn der Menschheitsgeschichte und die Dordogne, die durchs Land der Schlösser führt. Die Flüsse entspringen einem guten Hause: ihr Einzugsgebiet hat von der UNESCO das Prädikat «Weltbiosphärenreservat» erhalten. Und das ist auch gut so, denn damit werden Hunderte von Tier- und Pflanzenarten geschützt, die sich dort entwickeln und dafür sauberes Wasser benötigen. Die Dordogne ist mit fast 150 km schiffbarer Länge der wichtigste Fluss des Departements und durchquert den Süden des Périgord vom Lot bis zur Gironde.

Alles im Fluss

Unser Startpunkt war die Kanubasis in La Roque-Gageac. Aber es ging nicht an Bord unseres Wassersportgeräts, sondern in einen Bus, der uns flussaufwärts nach Carsac brachte. Dort wurden die Boote gewassert und Trinkflasche, Sonnenschutz und Ersatzkleider verstaut. Und schon ging’s los. Schnell fühlt man sich in seinem Element und hat Zeit und Musse, die vorbeiziehende Landschaft zu geniessen. Die Wenigsten sind sich beim Paddeln bewusst, dass sie auf einem einstmals wichtigen Grenzfluss unterwegs sind: die Dordogne trennte im Hundertjährigen Krieg die Machtbereiche der Franzosen im Norden und der Engländer im Süden.

Heute geht es weitaus beschaulicher zu und her. Das friedliche Dahingleiten hat etwas Meditatives. Die Natur ist intensiv, nicht umsonst gehört das Périgord zu den waldreichsten Gebieten Frankreichs. Und zu den dünn besiedelsten auch, deshalb sieht man von Zivilisation nicht gerade viel. Ausser, man kommt an den Schlössern wie Monfort vorbei, welches am Rand einer Kalkklippe thront. Aber gleich ist man wieder ganz von schattigem Grün umringt, bis zum nächsten Highlight, der Templer-Bastide von Domme, die strategisch geschützt auf einer der Klippen gebaut wurde. Darunter liegt noch eine besuchenswerte Höhle – also gleich zwei gute Gründe für einen Besuch.

Ein paar Flussbiegungen und Inselchen weiter taucht eine mar- kante Kalksteinwand auf, an die sich die alten Häuser von La Roque-Gageac schmiegen. Für uns ist die Reise noch nicht zu Ende, hier beginnt der zweite Teil unseres 25 Kilometer langen Flusstrips. Hier startet der Schlösser-Parcours. Den Anfang machen das Schloss und die Gärten von Marqueyssac, die Burg und das Dorf Castelnaud-la-Chapelle, das Schloss Fayrac, und die Feudalburg der Ortschaft Beynac. Den Begriff Château legt man in der Region gerne grosszügig aus. Manchmal tragen auch kleinere Herrenhäuser den adeligen Vornamen. So schafft es das Périgord, den schönen Beinamen «Land der 1000 Schlösser» zu führen.

Ein wahrhaft echtes und eindrückliches Märchenschloss wartet am Schluss unserer Tour. Mitten in einer terrassierten Parkanlage am linken Flussufer der Dordogne liegt das Schloss Les Milandes. Erbauer François de Caumont, Graf von Castelnaud verlor seinen Hauptwohnsitz in der Französischen Revolution. Bekannter wurde das Anwesen, als Josephine Baker das Schloss 1938 mietete und 1947 kaufte. Sie veranlasste Strom- und Wasseranschluss im Schloss sowie im angrenzenden Dorf Milandes, welches damit das erste Dorf im Périgord mit diesen Annehmlichkeiten wurde. Les Milandes ist heute im Privatbesitz der Familie de St. Exupéry, welche Haupt- und Nebengebäude historisch möglichst exakt restaurieren lässt.

Von Les Milandes bringt uns ein Bus zurück an unseren Ausgangsort in La Roque-Gageac. Der moderne Kontrast könnte nicht grösser sein. Noch vorhin liessen wir uns stressfrei von der Dordogne treiben, hielten an seichten Landzungen an und machten ein Picknick auf schattigen Inseln oder dort, wo es uns gerade gefiel. Viel zu schnell bringt uns der Shuttlebus wieder in die Zivilisation zurück. Aber das Périgord hat ja noch andere Flussvarianten zu bieten. Auf zum nächsten Abenteuer…

T: Stefan Detjen
F: ZVG

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