Jeanneau hat das, was die Sun Odyssey-Reihe ausmacht, noch einmal geschrumpft und in der Klasse der 11-m-Fahrtenyachten umgesetzt. Herausgekommen ist mit der Sun Odyssey 380 ein sehr ausgeklügeltes Charter- und Familienboot, das mit Walkaround-Konzept, Schwenkkiel, Einhandtauglichkeit sowie vielseitigem Layout und Segelplan überzeugt.
Was bisher geschah: 2017 präsentierte Jeanneau mit der Sun Odyssey 440 eine 13-Meter-Fahrtenyacht mit einem komplett neuen Deckslayout, das es dank sanft abfallender Seitendecks ermöglicht, barrierefrei vom Cockpit bis zum Vorschiff zu gelangen. Das heisst, der Weg von der Plicht zum Bug führt nicht mehr zwangsweise über eine Kletterpartie über die Süllränder, sondern kann über einen kleinen Umweg um die Steuerräder herum bequem und stufenlos auf dem seitlichen Laufdeck bewältigt werden.
Das Walkaround-Konzept fand auch in der fast zeitgleich vorgestellten Sun Odyssey 490 Verwendung (kein Wunder, hat man auf dem grösseren Boot doch mehr Platz für so einen Rundgang) und – kleine Überraschung – auch in der ein Jahr später nachgereichten 410. Diese ist immerhin gute 60 Zentimeter kürzer und vor allem 30 Zentimeter schmäler als die 440, aber trotzdem gelang es den Franzosen irgendwie, die begehbaren Seitendecks unterzubringen.
Die noch grössere Überraschung ist jetzt allerdings, dass Jeanneau den barrierefreien Zugang rund um das Cockpit auch in der nochmals um 23 Zentimeter schmäleren Sun Odyssey 380 umgesetzt hat. Man kann sich vorstellen, wie hier die Konstrukteure mit der Lupe am Modell gefeilt und um jeden Millimeter gefeilscht haben: Wie viel Platz darf der Rundgang haben, damit es im Cockpit mit seinem ausklappbaren Tisch nicht zu beengt zugeht? Mag sein, dass die Plicht etwas filigraner als bei den grösseren Geschwistern ausgefallen ist, aber zusammengepfercht fühlt man sich auch bei Mahlzeiten im Freien trotzdem nicht.
Klein, leicht, beliebt
Wir befinden uns mit der neuen Sun Odyssey 380 in der Klasse der Familienyachten um 11 Meter Rumpflänge. Wobei die kleine Jeanneau mit einer Rumpflänge von 10,77 Metern sogar zu den kleineren Vertretern ihrer Klasse zählt. Sie ist mit 6,9 Tonnen auch ziemlich leicht. Das alles muss aber kein Nachteil sein, denn zum einen werden kompaktere Dimensionen beispielsweise im Hafen sehr geschätzt. Und zum anderen scheint sich der Trend in den letzten Jahren zu immer grösseren Segelyachten gerade umzukehren. Small is beautiful ist – vielleicht auch als Folge der Pandemie – derzeit wieder angesagt.
Wichtiger ist sowieso, was man mit dem zur Verfügung stehenden Platz anfängt, und da ist Jeanneau wirklich vif vorgegangen. In der Bugkabine ist beispielsweise das Doppelbett dank der breiten Vorschiffpartie schräg aufgestellt und macht damit (freilich auf Kosten eines zweiten Schranks) Raum für ein eigenes Bad. Die Betten sind überhaupt im ganzen Schiff recht gross, mindestens 1,50 m breit und 2 m lang. Mittschiffs befindet sich auf Steuerbord die L-förmige Pantry, davor eine Sitzgruppe in U-Form. Gegenüber dieser hat erfreulicherweise ein kleines Sofa Platz gefunden, das auch als Tageskoje dienen kann. Das ganze Interieur wirkt sehr zweckmässig, hell und freundlich.
Vielfalt ist angesagt
Die kleine Sun Odyssey wird wohl sowohl bei Charterunternehmen als auch bei privaten Eignern grossen Anklang finden. Um hier wirklich für jede Zielgruppe das passende Package anbieten zu können, setzen die Franzosen auf Vielfalt. Die 380 wird mit zwei oder drei Kabinen und mit ein oder zwei Nasszellen ausgeliefert. In der Version mit nur einer Heckkabine kann neben dem Aufgang eine separate Dusche mit eigenem Eingang eingebaut werden.
Ungewöhnlich flexibel ist man auch bei den Kielvarianten. Zur Verfügung steht neben einem Flachkiel mit 1,56 m und einem Tiefkiel mit 2 m Tiefgang auch ein hydraulisch aufholbarer Schwenkkiel mit einer Bandbreite von 1,29 bis 2,70 m. Mit Letzterem hat die Crew Zugang zu sehr flachen Liegeplätzen, z. B. in Binnengewässern oder bei versandeten Einfahrten, wie sie etwa an der oberen Adria immer wieder vorkommen.
Weiterer Vorteil des Schwenkkiels: In der unteren Position hat die neue Sun Odyssey einen hochoptimierten Kiel, der die Segeleigenschaften auch gegenüber dem Tiefkiel nochmals verbessert!
Wie alle anderen Sun Odyssey Yachten besitzt auch die 380 ein Doppelruder. Das Rigg ist ohne Achterstag ausgeführt, damit kann ein Grosssegel mit sehr grosser Achterstags-Rundung gefahren werden. Das wird besonders Segler interessieren, die in Revieren mit eher leichteren Winden segeln. Beim Segelplan kann zwischen der Selbstwendefock im Standard und überlappender Genua gewählt werden. Optional sind auch ein Rollmast und für mehr Vortrieb ein leistungsstärkeres, im Topp ausgestelltes Grosssegel erhältlich.
Einhandtauglich und zu besichtigen
Mit welchen Segeln auch immer ausgerüstet – die 380 wird auf jeden Fall komfortabel, ja sogar einhandtauglich zu segeln sein. Die Segelschoten laufen über das Kabinendach und die Süll zur hinteren Winsch, die vom Steuermann – dem abfallenden Seitendeck sei Dank – sehr bequem, weil stehend bedient werden kann. Die Fallen und Leinen müssen auch nicht nach jedem Manöver sorgfältig am Süllrand sortiert, sondern können am Seitendeck liegen gelassen werden. Einhandfreundlich ist auch das Bugstrahlruder, das für mehr Beweglichkeit für die Manöver im Hafen sorgt.
T: Wolfgang GemündF: Gilles MARTIN-RAGET