Wahls Neunte

Der Zauberer vom Genfersee wurde seinem Namen gerecht. Mit seiner Spürnase fand Skipper Christian Wahl in der Nacht den richtigen Hauch Wind, um mit seinem bereits angejahrten Décision 35 Katamaran als erster über die Ziellinie der Bol d’Or Mirabaud 2023 zu segeln. Dabei liess er hochkarätige Teams wie Realteam Sailing und Alinghi Red Bull sowie absolute High-Tech-Boote der letzten Generation hinter sich. WAVE war vor Ort, um hinter das Geheimnis der Zauberformel zu kommen…

Zauberer, Magier oder Hexer? Geradezu unheimlich, wie Unternehmer Christian Wahl sich Jahr für Jahr gegen eine mächtige Konkurrenz durchsetzen kann. Dabei ist es nicht nur die Masse der 420 Teilnehmer, sondern auch die Qualität der Skipper und Boote, die sich auf dem Wasser messen. Auch für die 84. BOM fand wieder das übliche Wettrüsten statt, sehr zur Freude der lokalen Werften und Segelmacher. So wurde z.B. die Psaros 40 Syz & Co um 1.80 Meter bis ans Maximum des ACVL-Reglementes (14.20 Meter) verlängert und dabei auch gleich um 500 Kilogramm leichter gemacht. Solche Gewichtsprobleme plagen die Libera „Raffica“ aus Ungarn nicht. Sie hat kein Kielgewicht, ihre Crew spielt Ballast auf den Trapezterrassen – ohne Mannschaft würde sie glatt umkippen und wird deshalb erst kurz vor dem Start gewassert. Leichtgewichte wie die Ventilo M2, TF35 oder One-Offs wie die Proto QFX von Thomas Jundt oder die Gonnet Monofoil von Eric Monin blickten besorgt auf die Wettervorhersage, die zu wenig Wind fürs Foilen versprachen. Realteam Sailing ersetzte deshalb die Foils seines Hybrid-Cats durch normale Anhänge. Eine gute Wahl, denn das Team um Jérome Clerc setzte sich schon bald mit einer Spitzengruppe ab, übernahm darauf die Führung und umrundete als Erster die Wendeboje Le Bouveret. Ein klares Zeichen ihres Leistungshochs hatten sie bereits zwei Monate zuvor gesetzt, als sie sich das Blaue Band vom Genfersee holten und mit 3h 43’ 27” den bestehenden Rekord pulverisierten.

SPANNEND BIS ZUM SCHLUSS
Nach dem Böllerschuss pünktlich um 10 Uhr schob sich das Feld über die mehr als zwei Kilometer lange Startlinie Richtung Lausanne, um auf der Schweizer Seite des Genfersees nach Wind zu suchen. Spürnase Wahl natürlich ganz vorne mit dabei. Etwas später führte Realteam das Feld an und es sah nach der Rundung so aus, als würde der Rekordhalter den Sieg nach Hause bringen. Aber dann wurde Zauberer Wahl aktiv. Bis zur Einfahrt in den Petit Lac lag sein Kat mit den Seglerinnen der Sailing Squad noch zurück, an der Wendeboje war er nur Siebter. Fast magisch setzte er sich an die Spitze und liess bis ans Ziel nichts mehr anbrennen. “Es war ein sehr schwieriges Rennen, das schliesslich vor Coppex entschieden wurde”, sagte Christian Wahl nach dem Zieleinlauf. “Mit Realteam Sailing und Patrimonium waren wir drei Boote, die nur zehn Meter voneinander entfernt waren. Es gelang uns, unter Realteam Sailing durchzuschlüpfen und einen kleinen Vorsprung zu erarbeiten, den wir dann bis zum Ziel halten konnten.”

Wahls Mannschaft bestand aus der Stammcrew mit Guillaume Rol, Mathieu Cadei und Romuald Hausser sowie der Sailing Squad mit Laurane Mettraux, Anja von Allmen und Eilidh McIntyre. The Sailing Squad ist eine Initiative der Bank Mirabaud mit dem Ziel, einem 100% weiblichen, von der zweifachen britischen Olympiasiegerin Shirley Robertson gecoachten Team eine sportliche Plattform zu bieten. Das gelang dieses Jahr perfekt. Die Rechnung ging voll auf, die talentierten Seglerinnen konnten sich nach drei Trainingstagen perfekt ins Stammteam integrieren und am Erfolg teilhaben.

Trotz des langsamen Rennes blieb es spannend. Als Wahls Double You Team die Ziellinie nach 17 Stunden und 14 Minuten um 3 Uhr morgens überquerte, betrug sein Vorsprung 18 Minuten. Dahinter wurde heiss gekämpft. Die M2 Patrimonium von Loïc Preitner, lange auf dem 2. Rang, wurde zehn Meter vor der Ziellinie noch von Swiss Medical Network abgefangen! Als erster Monohull kam Seriensieger Raffica ins Ziel. Die ungarischen Trapezkünstler um Skipper Zsolt Király rollten nach einem langsamen Start das Feld wie gewohnt von hinten auf. Die Psaros 40 Cellmen Ardentis dominierte nach einem perfekten Start den Grossteil des Monohull-Geschehens und lag an der Wendeboje in Führung. Doch dann kam Raffica und zog davon. Einen persönlichen Rekord stellte ein frustrierter Eric Monnin mit seinem Gonet Monofoil auf: mit 26 Stunden war es die langsamste BOM, die er und seine Crew je absolviert haben. Bei fünf Teilnahmen konnten sie insgesamt weniger als 20 Minuten foilen… bei zwei Editionen war die Zeit auf den Foils gleich Null.
MEHR ALS EINE REGATTA
Der Bol d’Or ist eine Genfer Insitution. In seiner Geschichte wurde er sogar zu Kriegszeiten ausgetragen – nur dem Covid-Virus musste er sich 2021 geschlagen geben. Trotz 420 Booten herrscht eine heitere, entspannte Stimmung in der SNG-Marina. Am Vorabend trifft man sich zur Paella-Party und rockt zu Livemusik. Party hard, sail hard! Partygänger sucht man unter den Proficrews jedoch vergeblich. Denn 10 Minuten vor dem Startsignal gilt es ernst. Die 2,1 Kilometer lange Startlinie wird in der Mitte durch ein „Bateau viseur“ geteilt – sonst wäre es unmöglich, fehlstartende Boote nur von der Seitenlinie zu erkennen. Und wo gibt es eine Regatta, wo sich Sonntags- und Familiensegler mit Proficracks messen können? Wie Pate und Segelstar Thomas Coville erkärte, sei er nicht nur zur Dekoration nach Genf gereist. Wenn schon, wolle er beim Renngeschehen mitspielen. Was er denn auch auf der TF35 Ylliam XII Comptoir Immobilier tat – und 14. wurde. Genauso intensiv gingen die Cracks von Alinghi, Spindrift und dem Hublot Sailing Team mit Alan Roura zur Sache, die sich nichts schenkten und mit sportlichem Ehrgeiz an die Sache gingen.

Und dann gibt es natürlich auch die anderen, welche die Regatta und den speziellen Spirit geniessen. Bei der zahlenmässig grössten Bootsklasse der Surprise (102 Teilnehmer), war von extrem sportlich bis tiefenentspannt alles dabei. Selbst am Start wurde es niemandem langweilig. Denn die sehenswerte Yachtparade hätte nicht spannender sein können. Neben Serien- und Regatta-Monohulls waren hochgezüchtete Renn-Cats in allen Formen zu bewundern. Daneben auch ein paar Exoten wie eine Melges Scow A oder die 6.5 m SI Ondine, die ihre 9. Bol d’Or gewann – ebenfalls ein Rekord!

Die 84. Ausgabe konnte sich erneut auf eine eingespielte Organisation und treue Partner verlassen. Das Programm an Land bot auch für Nichtsegler und Shore Teams genug Abwechslung und Unterhaltung. Schön zu sehen, wie die mehr als 200 Freiwilligen mit viel Begeisterung ihren Job erledigten, und das immer mit einem Lächeln.
Natürlich garantieren neue (Tudor) und lang etablierte Sponsoren wie Namensgeber Mirabaud, dass sich das Segelfest in einem attraktiven Rahmen mit Livemusic, Paella-Party und viel guter Stimmung rund um das Wochenende perfekt entwickeln konnte. Die Privatbank mit den zwei Wellen im Logo ist der perfekte Partner für den Anlass, sie setzt sich u.a. für einen sauberen See ein und ihre Wasseraffinität reicht bis zum Sponsoring weiterer Regattaformate wie der BaselHead Ruderregatta auf dem Rhein.

Auch die drei Mirabaud-Markenbotschafterinnen Daniela Moroz, mehrfache Weltmeisterin im Kite-Foiling, und Sofia Meakin, Weltmeisterin im Rudern sowie die Mini-Seglering Anaëlle Pattusch werden sportlich vom Wasser getragen. Bei ihren Engaments denkt die Bankengruppe langfristig, wie es ihrer 200-jährigen Firmentradition entspricht. Nicolas Mirabaud, geschäftsführender Gesellschafter der Mirabaud-Gruppe, vertritt die siebte Generation seit der Gründung des Unternehmens 1819 in Genf.

Das zu 100 Prozent in Privatbesitz befindliche Familienunternehmen, das heute auf Wealth Management, Asset Management und Corporate-Finance-Dienstleistungen spezialisiert ist, hat mit der Bol d’Or Partnerschaft ein Win-Win-Investment gelandet. Wer nächstes Jahr an der Startlinie steht, wird sich davon überzeugen können. Denn nach der BOM ist vor der BOM…
www.boldormirabaud.ch
www.mirabaud.com
www.tudorwatch.com

Das Geheimnis von Christian Wahl
Für Christian Wahl teilt sich der Lac Léman in drei einzelne Seen ein, jeder mit seiner eigenen Charakteristik, definiert durch die unterschiedliche Topographie. „Tricky sind die Transitions,“ erklärt der Zauberer, „da ist es wichtig, den richtigen Übergang zu erwischen. Hat man in einem Seebereich auf die ideale Route gesetzt, befindet man sich nicht unbedingt an der idealen Eintrittsstelle für den nächsten Teil.“ Sein Kommentar zum Wetter am Vortag des Starts: „Die leichten Winde kommen mir sehr entgegen. Trotzdem wird es mit der Gewitterneigung nicht einfach werden. Gewitter sind absolut nicht vorhersehbar und können sich immer und jederzeit anders entwickeln und somit die Windverhältnisse auf den Kopf stellen.“ Shirley Robertson, die mit Wahl The Sailing Squad trainierte, sagte anerkennend: „Christian sieht Dinge auf dem Wasser, die wir nicht sehen. Er kann die Zeichen lesen und richtig interpretieren.“ Und Shirley muss es wissen, mit zwei olympischen Goldmedaillen ist sie ja durchaus kein Neuling auf dem Wasser…

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